Open Air Doppelpremiere: „Handycap“ & „7 Versuche zu fliegen“
Vergangenes Jahr im Frühjahr wurde eine Woche lang immer wieder ein lebensgroßes Handy mit Flip-Flops in der Kieler Innenstadt gesichtet. Es stand dort irgendwo rum, vereinsamt und irgendwie lächerlich, und versuchte Flyer unters Volk zu bringen, die niemanden interessierten. Oder es rannte einem plötzlich quer über den Weg, wie auf der Flucht. Dann wieder wurde es beobachtet, wie es sich qualvoll durch den Ladeneingang der THE PHONE HOUSE Filiale am Asmus-Bremer-Platz quetschte, gehetzt die Rolltreppen am Holstentörn rauf und runter fuhr, von drei halbstarken Jungs verprügelt wurde oder zusammen mit einer lebensgroßen Zigarettenschachtel neben der Bronzeplastik von Asmus-Bremer völlig erledigt eine rauchte.
Auf den Knien: Steffen Lorenz lässt seine Flyer fallen. Ein Schnappschuss von den Dreharbeiten. (Fotos: Stina Teichmann)
Wer damals unwillkürlich schmunzelte oder die komische Figur auslachte, hat jetzt endlich die Gelegenheit, die Eskapaden des Handy-Helden tief greifender zu erleben und den sensiblen und menschlichen Innenseiten des Pappkostüms nachzuspüren. Wem damals aus Mitleid die Worte „Oh, der Arme!“ entfuhren, ist endlich dazu eingeladen, über die tragische Note herzhaft hinwegzulachen. Denn der leise Kurzfilm „Handycap“ ist im Herzen eine Tragikomödie, allerdings mit deutlichem Hang zur Melancholie.
Spigelung der Tristesse (Still aus dem Film)
Produziert wurde der Kurzfilm durch den bekannten Kieler Filmemacher Gerald Grote, der dem Regie-Debütanten Jan-Gerrit Seyler mit seinem Vertrauen nicht nur zu einer Förderung durch die MSH verhalf, sondern ihm damit indirekt auch den nötigen Druck verlieh, seinen Träumen endlich Gestalt zu geben.
„Handycap“ ist damit der erste Film aus dem Hause „EinfallsReich Filmproduktion“, bei dem Grote ganz basal Filmnachwuchs fördert. Durch den erfahrenen schleswig-holsteinischen Kameramann Claus Oppermann ins Bild gesetzt, gedieh das Projekt darüber hinaus durch das Organisations-Quartett Nadine Lindenau (Regieassistenz), Maren Stähr (Produktionsleitung), Alexandra Eck (Aufnahmeleitung) und Mira Hoffmann (Skript/Continuitiy). Und nicht zuletzt durch über 90 weitere Projektbeteiligte. Den Schnitt übernahm Thomas Henke.
Kinderschreck (Still aus dem Film)
Kein Spaß mehr (Still aus dem Film)
„Ich selber bin eine Organisations-Niete. Alles was ich konnte, war mich auf mein Team zu verlassen. Dass Bilder, die ich vor mehr als drei Jahren im Kopf hatte, jetzt wirklich da sind, für alle sichtbar, ist wie ein Wunder. Ich versteh’ das nicht. Ich hatte immer das Gefühl, nur sagen zu können, was ich wollte. Dass das letztlich funktioniert hat, ist wirklich irre!“, freut sich Jan-Gerrit Seyler.
Jetzt endlich hat das Ensemble-Stück seine Premiere. Wer neugierig ist, dem ausgestellt und zugleich versteckten Protagonisten, verkörpert durch den Kieler Schauspieler Steffen Lorenz, tief in den Sehschlitz seines Pappkostüms zu blicken und mit seinen Augen aus den Tiefen des Handys hinaus in die Kieler Innenstadt zu sehen, ist herzlich zur Open Air Doppelpremiere am Samstag, 25. August, 20 Uhr im Kieler Klostergarten Café (Falckstr. 9, gegenüber der Falck-Wache) eingeladen. Sobald es dunkel wird, geht’s los. Bei schlechtem Wetter findet die Premiere in der Pumpe (Haßstr. 22) statt.
Und wieso „Doppelpremiere“? Weil nicht nur Seylers „Handycap“ dort Premiere feiert, sondern auch ein weiterer Kurzfilm aus Kiel: „7 Versuche zu Fliegen“ von Sarah Roloff.
7 Versuche zu Fliegen
Der nächtliche Traum vom Fliegen lässt Sebastian nicht mehr los – und so versucht er mit Beharrlichkeit und Optimismus alles, um sich von der Schwerkraft freizumachen; unterstützt durch einen treuen Gefährten und festgehalten von einer befreundeten Dokumentarfilmerin.
Dreharbeiten zu „7 Versuche zu Fliegen“
Gedreht auf miniDV, wurde das Projekt durch die Filmwerkstatt Schleswig-Holstein und das Studentenwerk Schleswig-Holstein unterstützt.
Handycap
Ein Werbehandy läuft durch die Stadt und erlebt kleine Abenteuer. Es trifft auf freundliche und weniger freundliche Menschen. Am Ende trifft es eine Entscheidung. Der 15-minütige Kurzfilm von Jan-Gerrit Seyler ist ein Film über Ausdauer und Selbstachtung, und nicht zuletzt ein Film über Kiel.
Der von der MSH geförderte Kurzfilm wurde in HD gedreht und wird zur Premiere digital in HD vorgeführt. Während der Produktion wurde er durch die Kulturelle Filmförderung Schleswig Holstein e.V., THE PHONE HOUSE, Subway u.v.w. unterstützt. Musikalisch wird „Handycap“ bereichert durch Arrangements von Aron Krause und dem Song „Hypnose“ des Liedermacher-Duos „Spieltrieb“, der eigens noch einmal neu eingespielt wurde.
„7 VERSUCHE ZU FLIEGEN“, D 2007, 14 Min., miniDV; Buch, Kamera, Regie, Schnitt: Sarah Roloff; Ton: Aron Krause und Jan-Gerrit Seyler; Musik: Carsten Böddeker und Hendrik Timm; mit Sebastian Kohn, Gunnar Kütenbrink, Emma Hermansson u.a.
„HANDYCAP“, D 2007, 15 Min., HD; Buch & Regie: Jan-Gerrit Seyler; Kamera: Claus Oppermann; Schnitt: Thomas Henke; Produktion: EinfallsReich Filmproduktion, Maren Stähr, Gerald Grote; Musik: Aron Krause; Lennart Quiring & Philipp Kasburg („Spieltrieb“); Sounddesign: Boris Vogeler; Regieassistenz: Nadine Lindenau; Aufnahmeleitung: Alexandra Eck; mit Steffen Lorenz, Christine Wetzig, Roland Hoffmann, Kai Behrenbruch u.v.w.
(nach Produktionsnotizen von EinfallsReich Filmproduktion u.a.)