Schillernder Störbegriff

Das Interdisziplinäre Symposium des Forums der Muthesius Kunsthochschule durchleuchtet den Begriff „Intuition“.

Klicken wir doch mal ganz „intuitiv“ ins Netz, was schreibt Wikipedia?: „Intuition (von lat.: intueri = betrachten, erwägen) ist die Begabung, Einsichten in Sachverhalte, Gesetzmäßigkeiten oder Richtigkeit von Entscheidungen durch spontane Eingebungen zu erlangen, die sich auf unbewusstem Wege eingestellt haben. Intuition steht letztlich hinter aller Kreativität. Der danach einsetzende Intellekt führt nur noch aus.“

Für Prof. Dr. Petra Maria Meyer, Intendantin des Forums der Muthesius Kunsthochschule, die das Interdisziplinäre Symposium „Intuition“ konzipiert hat, ist diese Definition ein Ansatz, dem Begriff nachzugehen, der populärwissenschaftlich „auf ein vages Bauchgefühl reduziert und dadurch verramscht zu werden droht“. Eine Verengung auf etwas Irrationales, die das Symposium hinterfragen will. Könnte man Intuition nicht auch als eine andere Form der Ratio begreifen, als ein anderes Erkenntnismedium, das nicht nur (aber auch) Künstlern vorbehalten ist? An vier Tagen werden hochkarätige Fachleute, Künstler, Kunstwissenschaftler, Philosophen und auch Psychologen, der Intuition nachspüren, um ihre „klischeehaften Zuweisungen aufzuweichen“. Der rote Faden der Vorträge: „Vermeintliche Dualismen zwischen Rationalität und Intuition, Kopf und Bauch, in Frage zu stellen“.

„Schillernd“ sei der Begriff, so Meyer, die ihn ideengeschichtlich „immer wieder auftauchen“ sieht, nämlich „als produktiven, weil Erkenntnis fördernden Störbegriff gegen den jeweiligen Mainstream einer Erkenntnismethode, die sich als unhinterfragte etabliert hat“. In der Antike galt Intuition als die höchste Stufe der Erkenntnis. Bis sie der neuzeitliche, oft reduktionistische Rationalismus der (Natur-) Wissenschaft ins Reich der Künste verwies. Allein, auch Naturwissenschaftler berichten von den intuitiven Quellen ihrer Ideen. Dass Intuition komplexer als solche landläufig dualistischen Zuschreibungen ist, zeigt der Philosoph Prof. Dr. Bernhard Waldenfels in seinem Vortrag „Gespür für die Dinge“ (Fr, 11.30 Uhr). Und gibt es nicht auch im „Unmittelbaren“ Mittel, ist nicht auch die „Eingebung“ an Mediales geknüpft? Einen solchen „Modus Ästheticus – Die Medialität der Einbildungskraft im Zeitalter der Digitalität“ (Sbd, 16 Uhr) entdeckt Prof. Dr. Georg C. Tholen im „Gestalt wechselnden Zwischenraum“, den richtig, weil nicht eindimensional verstandene Intuition eröffnet.

Klaus Obermaiers zusammen mit dem Tänzer und Exponenten der radikalen Körperkunst, Chris Haring, inszenierte Performance „Vivisector“ ist ein Beispiel für die intuitive Nutzung der Intermedialität als Strategie, die Grenzen zwischen Wahrnehmungs- und damit Erkenntnismustern zu verschieben, wenn nicht aufzulösen. Die Performance am Sonnabend im Kieler Schloss steht im Rahmen der 100-Jahr-Feier der Muthesius Kunsthochschule bei freiem Eintritt allen Kielern offen. Wie die anderen Abendveranstaltungen des Symposiums verzahnt sie die Symposiumskonzeption eng mit der Kunsthochschule, die mit ihrem „Center for Interdisciplinary Studies“ (Forum) eine im Vergleich zu anderen Kunsthochschulen einmalige „Denkfabrik“ besitzt.

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Intuitiver Gebrauch der Intermedialität in der Performance „Vivisector“ (Foto: Gabi Hauser)

Zu der gehört im Rahmen des Symposiums auch die von Frank Wagner kuratierte Ausstellung „Ohnmacht“. Über das Intuitive beim Kuratieren berichtet er in seinem Vortrag „Momente der Schwebe“ (Do, 17.30 Uhr), wobei die Ohnmacht, das selbst gewählte Thema der Ausstellung von Kunst-Größen wie Marina Abramovic neben Newcomern aus der Muthesius Kunsthochschule, die Brücke zur Intuition schlägt. Wie Intuition als „Störbegriff“ sind auch Ohnmachtsgefühle Erkenntnis fördernde, indem sie herrschende Verhältnisse und Konventionen problematisieren. Macht, auch die der Erkenntnis, macht blind, ihre Opposition sehend.

Dass die Künstler selbst sprechen, gehört zum Konzept des Symposiums, schließlich gelten sie als die „Masterminds“ einer „anderen Logik“, die sich auch in den „Filmischen Effeschiaden“ Fritz Schweglers manifestiert. Der Muthesius-Film-Professor Stephan Sachs, Schwegler-Schüler, präsentiert sie und eigene Film-Werke dieses „Dazwischen“-Blicks in der Abendveranstaltung am Freitag. (jm)

17. bis 20. Mai in der Kunsthalle. Eröffnung am Donnerstag, 15 Uhr. Öffentliche Vorträge Freitag bis Sonntag ab 10 Uhr. Abendveranstaltungen: Donnerstag, 20 Uhr, Maschinenhaus der ehemaligen FH (Legienstr. 35): Vernissage zur Ausstellung „Ohnmacht“; Freitag, 20.30 Uhr, Aula der ehemaligen FH (Legienstr. 35): Filmische Effeschiaden von Fritz Schwegler; Sonnabend 20.30 Uhr, Kieler Schloss: Intermediale Performance „Vivisector“. Detailliertes Programm unter: www.muthesius-kunsthochschule.de/de/
zentrale_einrichtungen/interdisziplinaere_wochen/intuition
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