Aus anarchischen Archiven

Dennis Nyback zeigt in der Kieler Schaubude und im Koki Raritäten aus seinem Filmarchiv.

Wiedermal hat die Kieler Filmgruppe Chaos einen Kollegen aus den USA zu Gast: Dennis Nyback. Im Gepäck hat der leidenschaftliche Filmsammler zwei Programme rund um das Thema Anarchie.

Schon vor 9/11 sah sich die USA terroristischen Angriffen, zumindest als solche wahrgenommenen, ausgesetzt – der japanische Angriff auf Pearl Harbour oder die vermeintliche Bedrohung durch die Anarchisten Sacco und Vanzetti in den 20er Jahren – und (über-) reagierte in so genannten „Educational Films“ entsprechend patriotisch. Dennis Nyback hat sie ausgegraben und zeigt im Kurzfilmprogramm „Terrorism Light And Dark“ Lehrfilme, die aus heutiger Sicht vor allem eines lehren: die zuweilen groteske Psychologie einer Nation zwischen Verfolgungswahn und Besinnung auf bürgerliche Freiheitsrechte. „What Our Flag Means“ (1962) wirkt dabei vergleichsweise friedlich, wenn auch zu Hochzeiten des Kalten Krieges als Propaganda für die Heimatfront gedreht. „Japanese Relocation“ (1942) dagegen rechtfertigt die Internierung von US-Bürgern japanischer Herkunft nach dem „Terrorangriff“ auf Pearl Harbour – Guantánamo lässt grüßen. Weitere Filme setzen sich mit anarchistischen Anschlägen auseinander, wobei man damals wie heute fragen darf, wer „geistesgestörter“ war, die Gewalttäter oder die Reaktion der Staatsgewalt.

Der Reiz des Anarchischen feierte indes im Trickfilm der 30er und 40er Jahre fröhliche Urständ’, in der Off-Szene jenseits der Disney-Studios mit wilder Spielfreude, während sich im Mainstream-Kino manche antikommunistische Gegenbotschaft zwischen die Zeichnungen kassiberte. Nybacks Kompilation „Anarchy Can Be Fun“ zeigt Off-Cartoons im Spannungsfeld zwischen Sympathie für den anarchistischen Gegenentwurf und dem Rollback von Hollywoods staatstragenden Gnaden. Dabei zeigt sich gerade in den frühen Entwürfen von Figuren wie Betty Boop oder Woody Woodpecker so mancher anarchischer Zug und die Animationen animieren nicht zuletzt den Widerstand gegen die herrschende politische wie moralische Ordnung. (jm)

„Terrorism Light and Dark“: Mittwoch, 4. April, 21 Uhr, Schaubude. „Anarchy Can Be Fun“: Mittwoch, 11. April, 20.30 Uhr, Koki.

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