Dokumentarfilm „Gefährliche Neigungen“ von Gerald Koll auf DVD

Der Dokumentarkfilm „Gefährliche Neigungen“ des Kieler Filmemachers Gerald Koll, produziert im Jahr 2000, erschien im Dezember 2006 als Bonusmaterial auf der Kauf-DVD „Richard Oswald: Anders als die Andern“, herausgegeben in der renommierten Edition filmmuseum (hier in einer Zusammenarbeit vom Filmmuseum München mit dem Goethe-Institut).

Der filmdienst schreibt dazu folgendes:

Edition Filmmuseum 04: Richard Oswald: „Anders als die Anderen“

Der erste deutsche Film über Homosexualität wurde seinerzeit von der Zensur vielerorts verboten und hat nur als Fragment einer 1927 umgeschnittenen Kurzversion überlebt, die eine Episode des Films „Gesetze der Liebe“ von Magnus Hirschfeld gebildet hat. Die Rekonstruktion des Originalfilms verwendet neben dem vorhandenen Filmfragment Texte aus zeitgenössischen Protokollen und Besprechungen sowie Standfotos. Die Doppel-DVD präsentiert zudem die restaurierte umgeschnittene Version von 1927 und eine Dokumentation vom Kieler Filmemacher Gerald Koll über die Zensurgeschichte des Films.

Die Filme

Anders als die Andern – Deutschland 1919 – Regie: Richard Oswald – Drehbuch: Richard Oswald, Magnus Hirschfeld – Kamera: Max Faßbender – Darsteller: Conrad Veidt, Reinhold Schünzel, Fritz Schulz, Anita Berber, Ernst Tittschau, Alexandra Wiellegh, Ilse von Tasso-Lind, Wilhelm Diegelmann, Magnus Hirschfeld – Produktion: Richard Oswald Film-Produktion, Berlin – Premiere: 28.5.1919, Berlin – Rekonstruktion 2004: Filmmuseum München – Edition: Stefan Drößler, Gerhard Ullmann, Klaus Volkmer – Bildbearbeitung: Christian Ketels – Musik: Joachim Bärenz – Tonaufnahmen: Gunther Bittmann, Ernst Schillert.

Gesetze der Liebe: Schuldlos Geächtet! – Deutschland 1927 – Drehbuch und Regie: Magnus Hirschfeld – Kamera: Max Faßbender – Darsteller: Conrad Veidt, Reinhold Schünzel, Fritz Schulz, Magnus Hirschfeld – Produktion: Humboldt-Film GmbH, Berlin – Premiere: 16.11.1927, Berlin – Rekonstruktion 1999: Filmmuseum München – Edition: Gerhard Ullmann, Klaus Volkmer – Musik: Bernt Schultheis, ensembleKONTRASTE unter Leitung von Frank Strobel – Redaktion: Nina Goslar.

Gefährliche Neigungen – Die Skandalgeschichte von „Anders als die Andern“ – Deutschland 2000 – Drehbuch und Regie: Gerald Koll – Kamera und Schnitt: Gil Freudenreich – Produktion: KirchMedia – Premiere: 10.2.2000, Arte

Über die Filme

Wer diesen Film, der mit zartfühlender Vorsicht das äußerst heikle Thema behandelt, gesehen hat und zu dem Urteil kommt, Dr. Magnus Hirschfeld und andere, die an diesem Film beteiligt sind, hätten die Absicht, sich einen großen Namen und einen vollen Geldbeutel zu schaffen, die Schaulust des Publikums zu reizen und seine Nerven zu kitzeln, und wer die edle Absicht dieser Männer leugnet, ist entweder vom Parteihaß verblendet oder hat kein Herz im Leibe. Abgesehen davon, daß der § 175 den größten Widerspruch enthält und eine Blöße des deutschen Gesetzbuches darstellt dadurch, daß er homosexuelle Neigungen bei dem männlichen Geschlecht bestraft, beim weiblichen dagegen durchgehen läßt, erhebt sich durch diesen Film die sittliche Forderung, die ein jedes fühlende Herz dazu veranlassen muß, für das Recht zu kämpfen! Iserlohner Kreis-Anzeiger, 18.7.1919

Es ist kein anderer Sexualaufklärungsfilm der Weimarer Republik erhalten, der in seiner künstlerischen Strenge und thematischen Konzentriertheit an diesen wohl berühmtesten Film der Gattung heranreicht. Um so mehr erstrahlt dieser Klassiker, der nun in neuer Rekonstruktion vorliegt. Auch wenn offensichtlich wichtige Bilder fehlen, überrascht, wie modern die Inszenierung von 1919 noch im Jahr 1927 gewirkt haben muß. Conrad Veidt zeigt sich zur Entstehungszeit von „Das Cabinet des Dr. Caligari“ unzweifelhaft von dieser Welt, aber freilich ohne die aus Wienes Film berühmte Egon-Schielesche Physiognomie ungenutzt zu lassen. Er ist als Homosexueller überaus glaubhaft, gerade weil er jede Tuntigkeit vermeidet und durch eine, auch im immensen Spektrum dieses Schauspielers noch überraschende Individualität ersetzt: „Anders als die Andern“ nennt es der Titel. Veidt verwandelt es in die Ausstrahlung unbezwingbarer Körperlichkeit, einen Ausdruck des Aparten, der sich seine eigenen Codes der erotischen Attraktion erspielt. Veidts Distanziertheit bei gleichzeitiger innerer Zerrissenheit, die er gegenüber dem Erpresser einnimmt, ist meisterhaft. Die vielleicht eindrucksvollste Szene aber ist eine hochexpressive Einstellung, in der der Liebhaber Kurt nach dem Kampf mit dem Erpresser zu Veidt emotional auf Distanz geht: Nur im Gesicht spielt sich dieser Prozeß des inneren Treuebruchs ab, der durch den äußeren Schock ausgelöst worden ist: ein leichtes Verhärten, unmerklich für den Partner und doch bereits endgültig. Obwohl das an einem authentischen Fall orientierte Drehbuch äußere Melodramatik komplett vermeidet, überzeugt „Anders als die Andern“ gerade durch seine Emotionalität – eine Qualität, die diesen Film weit über den Status als Aufklärungsfilm hinaus interessant macht als frühes Beispiel des Kammerspielfilms. Daniel Kothenschulte, Film-Dienst Nr. 3/2000

DVD-Features

  • „Anders als die Andern“, 1919, 51 Min., Klavierbegleitung von Joachim Bärenz
  • „Gesetze der Liebe: Schuldlos geächtet!“, 1927, 40 Min., Musikbegleitung von Bernd Schultheis
  • „Gefährliche Neigungen – Die Skandalgeschichte von „Anders als die andern“, 2000, 7 Min.
  • Herausgeber: Filmmuseum München, Goethe-Institut München
  • DVD-Authoring: Ralph Schermbach
  • DVD-Supervision: Stefan Drössler

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