Kommentar
Androhung der Schließung des Kommunalen Kino Lübeck – die wievielte?
Nicht das erste Mal ist das Kommunale Kino in Lübeck von der Schließung bedroht. In regelmäßigen Abständen scheinen interessierte Kreise in Lübecks Kommunalverwaltung und Lokalpolitik an der Abschaffung dieser wichtigen Einrichtung für die hanseatische Kinokultur zu arbeiten. Man ist leider zu dieser polemisch zugespitzten Annahme geneigt: aufgrund der immer wieder wie eine chronische Krankheit in Lübeck auftauchenden, perfiden Absicht der Kinobeseitigung. Das letzte Mal wurde das Koki im Winter 2001 / 2002 von Schließung bedroht und auf das finanzpolitische Krankenbett gezerrt. Nun also ein erneuter Angriff auf die Kinostätte mit Hilfe von Sparplänen aus der Lübecker Stadtverwaltung. Am 30. November soll die Bürgerschaft der Hansestadt über eine so genannte „Giftliste“ beschließen, die auch die Abschaffung des Kommunalen Kinos vorsieht.
Muss denn immer wieder die Wichtigkeit dieses cineastischen Kleinods für das Kulturleben an der Trave hervorgehoben werden, bis auch der letzte „Idiot“ in Lübeck begreift, was man verlieren würde? Ist denn inzwischen nicht jedem lokalpolitischen Entscheidungsträger längst bekannt, dass das Kommunale Kino eines der wenigen Orte in der Hansestadt ist, an dem auch außerhalb der Nordischen Filmtage auf hohem Niveau internationale cineastische Vielfalt geboten wird – und das das ganze Jahr über? Ist ihnen nicht bekannt, dass das Kommunale Kino dadurch seit langem ein unersetz- und unverzichtbarer Bestandteil der Lübecker Kulturlandschaft ist?
Die Finanzjongleure der Stadt scheinen über diese Einsicht und andere Fakten hinweg gehen zu wollen. Dabei könnte doch jeder erkennen, dass das Kommunale Kino mit z.B. seiner medienpädagogischen Arbeit auch einen wichtigen Beitrag zur sozialen Integration bietet und dafür unter anderem von der ULR gefördert wird.
Seit 19 Jahren ist das Kino in der Mengstraße Veranstalter des Filmforums Schleswig-Holstein auf den Nordischen Filmtagen, das als wichtigste Filmschau des Landes gilt und der kleinen, aber stetig wachsenden Filmszene Schleswig-Holsteins einen unverzichtbaren Treff- und Kommunikationsort bietet. Im Rahmen eines europäischen Netzwerkes ist das Kommunale Kino als erstes Kino in Lübeck in der Lage, eine digitale Leinwandprojektion zu bieten (gefördert mit Mitteln der Europäischen Union).
Es ließe sich noch lange so weiter aufzählen, man vergleiche nur einmal die fundierten Solidaritätsbekundungen aus dem Januar 2002 (dokumentiert hier im Newsletter von infomedia-sh.de), als das Koki wieder einmal abgeschafft werden sollte.
Besonders verstörend auch die Tatsache, dass die „Giftliste“ auf einer vertraulichen Sitzung des Lübecker Senats am 1. November, dem Eröffnungstag der diesjährigen Nordischen Filmtage, beschlossen wurde. Da stellt sich am gleichen Mittwoch der Oberbürgermeister Lübecks hin, begrüßt die Filmgäste aus nah und fern, da rühmen alle den hohen Stellenwert der Filmkultur in Lübeck, und gleichzeitig wird die Opferung des Kokis vom Senat geplant. Da feiert man eine „rauschende Filmpreisnacht“ am darauf folgenden Samstag im Lübecker Theater (die „Lübecker Nachrichten“ „überschlagen“ sich fast beim naiven Bejubeln des Promi- und Glamourfaktors) und beneidet Lübeck um sein Filmfestival-Fortune, um seinen Film- und Kinoverstand, und gleichzeitig wird die Finanzierung von Plätzen in Kindertagesstätten (für die das Land nicht mehr aufkommen will) gegen das Herz der städtischen Filmkultur ausgespielt. Immer wieder die gleiche öde Masche, berechtigte soziale Bedürfnisse gegen kulturelle zu setzen!
„Filmstadt Lübeck“? Außen hui und innen pfui? Eine peinliche Heuchelei des Lübecker Senats und der Bürgerschaft? Gilt dem Event alles und der täglichen Kulturpraxis nichts? Kann eine Stadt, die sich selbst als „Kulturstadt“ sehen will, als solche gesehen und gefeiert werden möchte, einen solchen selbstverschuldeten Verlust billigend in Kauf nehmen und das Kommunale Kino einfach schließen? (hsch)