FilmTrain 2004-2006
Archäologen über die Schulter geschaut
„So süüt dat ut, Ausgrabungen in Hüsby” (Hilke Elisabeth Saggau, D 2005)
Auf den ersten Blick unterscheidet sich eine archäologische Ausgrabung nicht unbedingt von einer gewöhnlichen Tiefbaustelle. Schaufeln und Schubkarren, Bagger und Vermessungsgeräte sind immer vor Ort, wenn große Mengen Erdreich zu bewegen sind. Die körperliche Arbeit bleibt, denn Granitbrocken werden nicht leichter, nur weil sie von einem bronzezeitlichen Grab stammen. Und wenn es regnet, wartet man im Bauwagen mit Butterbrot und Thermosflasche auf besseres Wetter. Eine Mischung aus bodenständiger Handwerkstradition und akademischem Forschergeist prägt die spezielle Atmosphäre auf einer Ausgrabung, wo sich Fortschritte oft nur in zermürbender Langsamkeit vollziehen. Nicht ohne Grund wird die Archäologie auch die „Wissenschaft des Spatens” genannt.
Mühselige Kleinarbeit an großen Brocken
In Archäologiefilmen ist davon selten etwas zu spüren. Die gängigen Edutainment-Formate im Fernsehen präsentieren sensationelle Forschungsergebnisse gerne in Form eines Mystery-Thrillers, üppig illustriert mit suggestiven Computersimulationen und oft in der Nähe von Indiana-Jones-Klischees. Doch mit dem Gespür für das richtige Timing und einem scharfen Auge für atmosphärische Details lässt sich auch aus der unscheinbaren Alltagsroutine der Ur- und Frühgeschichtsforschung Spannung und Unterhaltung gewinnen, wie Elisabeth Saggaus Film „So süüt dat ut” deutlich zeigt.
Über fast zwei Jahre hinweg hat sie die Ausgrabung eines bronzezeitlichen Grabhügels bei Hüsby in der Nähe von Schleswig mit der Kamera begleitet, von den ersten topografischen Vermessungen bis zur finalen Pressekonferenz. Schicht um Schicht werden dabei nicht nur die Geheimnisse der rund dreieinhalb Tausend Jahre alten Grabanlage freigelegt, sondern auch die Arbeitsmethoden der Archäologie. Der Verlauf der Grabungsarbeiten birgt einige Überraschungen und liefert damit eine glückliche Vorlage für die Dramaturgie des Films, die von Elisabeth Saggau und ihrer Cutterin Imke Scholvin-Watts mit subtilem Witz in Form gebracht wird.
Dem Zuschauer wird schnell klar: Die Archäologie bündelt eine große Vielfalt hoch spezialisierter Disziplinen vom Radartechniker bis zum Mikrobiologen, um möglichst kein Zeugnis der Vergangenheit zu übersehen. Im Mittelpunkt dieser logistischen Herausforderung steht der Grabungsleiter Dieter Stoltenberg, dem der Film seine Hauptaufmerksamkeit widmet. Der rundliche Mittfünfziger in seiner grünen Latzhose ist der Verbindungsmann zwischen den „Arbeitern der Stirn und der Faust”. In schnoddrigem Platt erteilt er seine Anweisungen an die Grabungshelfer, maßregelt respektvoll seine Vorgesetzten, rümpft die Nase über dänische Nachwuchswissenschaftler, dirigiert souverän Bagger und Hebebühnen, dokumentiert die Befunde akribisch mit Bleistift und Kamera und präsentiert die Ergebnisse in geschliffenem Deutsch und eindringlicher Rhetorik für die Presse.
Grabungsleiter Dieter Stoltenberg (Mitte)
Elisabeth Saggau ist es offenbar gelungen, sich im Laufe des Drehs mit ihrer kleinen DV-Kamera unsichtbar zu machen, denn die Ungezwungenheit der Protagonisten vor ihrer Linse überrascht. Sie wird Zeuge von Entscheidungen, Gesprächen und auch Konflikten. Gerade diese menschlichen Miniaturen sind es, die den Film wohltuend von der üblichen Serienware abheben; ein Plädoyer für den Blick auf das scheinbar Nebensächliche und Abseitige. Bezeichnenderweise sind es am Ende nicht die glänzenden Grabbeigaben, sondern ein paar unscheinbare Pfostenlöcher, die den Grabhügel von Hüsby zur archäologischen Sensation werden lassen. (Lorenz Müller)
So süüt dat ut, Ausgrabungen in Hüsby, D 2005, 58 Min. Buch, Regie, Kamera: Hilke Elisabeth Saggau, Schnitt: Imke Scholvin-Watts, Musik: Phil Conyngham, Sprecher: Jutta Hagemann (deutsch), Richard G. Watts (englisch). Trailer: http://rzglab15.rz.uni-kiel.de/geotv/filmtrain/huesby.wmv. Der Film wird auch beim 7. Int. Archäologie-Film-Kunst-Festival CINARCHEA, Kiel, 26.-29.4.06 gezeigt.