56. Internationale Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2006

Mein Name ist Plotz! Hot-zen-plotz!

“Der Räuber Hotzenplotz” (Gernot Roll, D 2006)

Wenn Kameraspezialisten sich an Filmregie machen, sind schöne Bilder garantiert, so auch in diesem Remake von “Der Räuber Hotzenplotz”. Gernot Roll hat für namhafte Kino- und Fernsehfilme hinter der Kamera gestanden (u.a. “Der bewegte Mann”, “Jenseits der Stille”, “Das Mädchen Rosemarie”, “Nirgendwo in Afrika”, “Die Manns – Ein Jahrhundertroman”, “Speer und er”) und dafür renommierte Preise erhalten, so, um nur einige zu nennen, sechsmal den Adolf-Grimme-Preis, dreimal den Deutschen und einmal den Bayerischen Filmpreis. Seine bisherigen Regiewerke machen sich weniger rühmlich aus: Hierzu zählte 1997 “Ballermann 6” … In “Der Räuber Hotzenplotz” führt Roll Kamera und Regie. Schon in der ersten Filmminute sieht man die rotesten aller Äpfel, die grünsten aller Wiesen, die strahlendste Sonne am blauesten Himmel – das kann ja nur ein wonniger Film werden. Und als der furchterregende Räuber alsbald der lieben Oma so mitten am hellichten Sonnentag ihre Kaffeemühle raubt, kann einem schon das Herz aufgehen: Hier befinden wir uns in der besten aller Welten, wo kein Problem ungelöst bleibt und auch die Schurken ihre liebenswerte Seite haben.

Die 93 Filmminuten werden für Kinder ab fünf Jahren empfohlen – und auch die Eltern werden sich vor lauter Spaß, Spannung und Slapstick nicht langweilen. Die Kurzweil ist vor allem der herrlichen Besetzung zu verdanken: Armin Rohde entfaltet mit düsterem Outfit und verfaulten Zähnen seinen Schurken-Charme. Fürsorglich, aber rollengemäß ängstlich und kurzsichtig agiert Christiane Hörbiger als Großmutter. Den neunmalklugen Kasperl mit der rotesten aller Zipfelmützen gibt der naseweise Martin Stührk, und Seppel ist der unschlagbar niedliche Manuel Steitz. Der böse Zauberer Petrosilius Zwackelmann wird dargestellt von Rufus Beck. Den ewig bemitleidenswerten Wachtmeister Dimpfelmoser hätte man nicht besser besetzen können als mit dem zu voller Form auflaufenden Piet Klocke, der für keine Geringere als Katharina Thalbach als Hellseherin Portiunkula Schlotterbeck zarte Gefühle hegt. Und alle Zuschauer sind im wahrsten Sinne des Wortes bezaubert, wenn eine weißgoldene Lichtgestalt das Kommando übernimmt: Fee Amaryllis bzw. Barbara Schöneberger.

Armin Rohde und Christiane Hörbiger in “Der Räuber Hotzenplotz” (Foto: Berlinale)

Sie alle agieren an pittoresken Drehorten: Seßlach/Bayern und Prag. Schauspieler und Requisiten erinnern famos an die legendären Zeichnungen von F. J. Tripp aus den Preußlerschen Buchvorlagen. Und auch wenn Dimpfelmosers Pickelhaube an die gute alte Kaiserzeit gemahnt, stört ein anachronistisch motorisierter Traktor nicht weiter.

Ottfried Preußlers Kinderbuchklassiker “Der Räuber Hotzenplotz” erschien 1962 und der Folgeband “Neues vom Räuber Hotzenplotz” 1969. Rolls Film nach dem Drehbuch von Ulrich Limmer verarbeitet den Inhalt beider Bände und ist so “nahe dran”, dass sogar der inzwischen über 80jährige Autor seinen Segen gegeben hat.

Die berühmte Verfilmung von Gustav Ehmck mit Gert Fröbe in der Titelrolle, Lina Carstens als Großmutter und Josef Meinrad als Zauberer Zwackelmann entstand 1974. So manchem Fan dieses Hotzenplotz-Filmklassikers werden die pralle Farbgewaltigkeit und Action-Dichte im neuen Werk vielleicht zu viel werden. Aber für sich genommen ist dieser “Räuber Hotzenplotz” ein pralles Vergnügen für die ganze Familie jenseits jeglicher Spaßgesellschaft. Es seien “Gute-Laune-Dreharbeiten” gewesen, meint Regisseur Gernot Roll. Man mag es ihm aufs Wort glauben und sich ab 23. März 2006 im Kino davon überzeugen. (gls)

Der Räuber Hotzenplotz, D 2006, 93 Min., 35 mm. Buch: Ulrich Limmer nach den Büchern von Ottfried Preußler, Regie, Kamera: Gernot Roll, Darsteller: Armin Rohde, Rufus Beck, Katharina Thalbach, Piet Klocke u.a.

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