52. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen: Mittlerer Osten, USA, Moskau, London, Berlin: Die Kurzfilmtage präsentieren Thema und Profile

2006 präsentieren sich die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen vom 4. bis zum 9. Mai mit einer deutlich entzerrten Programmstruktur. Während die vier Wettbewerbe im gleichen Umfang wie bislang beibehalten werden, gehen die restlichen Programme mit neuer Struktur und neuen Namen an den Start. Das Festival zeigt voraussichtlich rund 140 Arbeiten in den Wettbewerben und knapp 150 weitere in den anderen Programmen.

Das große thematische Sonderprogramm heißt jetzt THEMA und bietet statt zuletzt 15 nun 10 Einzelprogramme. Unter dem Titel „Radical Closure“ hat der libanesische Künstler Akram Zaatari für dieses Programm Arbeiten aus dem Mittleren Osten zusammengestellt. Vier PROFILE stellen einzelne Persönlichkeiten vor: Die Kurzfilmtage bieten eine Wiederentdeckung des amerikanischen Underground-Filmers Robert Nelson in fünf Einzelprogrammen, außerdem die Tanzfilme und fast unbekannte Werbefilme der Londonerin Miranda Pennell, ein Moskauer Doppelportrait des Künstlers Victor Alimpiev und der Filmemacherin Olga Stolpovskaya sowie frühe Arbeiten des Berliner Filmemachers Boris Schafgans. Traditionelle Programme mit internationalen Musikvideos, Studentenfilmen aus NRW und Preisträgerfilmen anderer Festivals bleiben erhalten.

Thema: Radical Closure

Zusammengestellt von dem libanesischen Videokünstler und Kurator Akram Zaatari präsentiert dieses Programm Arbeiten, die auf einen körperlichen und/oder ideologischen Zustand des Eingeschlossenseins – hauptsächlich als Folge von Krieg oder Territorialstreitigkeiten – reagieren. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Nahen Osten als Schauplatz konstanter Kriege, Teilungen, Stereotypisierungen, aber auch als Schauplatz einer außergewöhnlich reichen, subversiven und stimulierenden visuellen Kultur, deren aktueller Stand hier durch ihre oft von Gewalt geprägte Geschichte reflektiert wird.

Das Programm untersucht die paradoxe Eigenschaft des Films, einerseits diese Zustände zu durchdringen, um sie zu beschreiben, und andererseits als Propaganda- und Indoktrinierungsinstrument zu dienen, oder einfach als Dokument, das aus der jeweiligen Situation hervorgeht. Versammelt sind Arbeiten aus verschiedenen Genres und Quellen – unabhängige Filme und Videos, Künstlerfilme und -videos, Dokumentarfilme oder Film-Essays.

Militärkultur, Familienleben, Bildung und Indoktrinierung, die Poesie der Kriegsdarstellung, traumatische Erfahrungen und individuelle Geschichten tragen alle dazu bei, das Bild einer Film- und Videoproduktion „unter Verschluss“ in einen größeren Zusammenhang zu stellen.

Gezeigt werden Werke bekannter Künstler wie Omar Amiralay, Yael Bartana, Harun Farocki, Jean-Luc Godard, Mona Hatoum, Walid Raad, Samir, oder Elia Suleiman, aber auch Arbeiten von Vertretern der jüngeren Generation wie Ziad Antar, Denis Buga, Matei Glass und Hatice Gulreyuz, dazu Nachrichtenvideos und Bilder des iranischen Fotografen Bahman Jalali von der iranischen Revolution 1978-79, im Programm präsentiert von Stephen Wright.

Der Kurator: Akram Zaatari lebt und arbeitet als Videokünstler und Kurator in Beirut. Neben seiner Fernseh- und Lehrerfahrung ist er Autor von mehr als 30 Videos und Videoinstallationen zu politischen Fragestellungen im Libanon der Nachkriegszeit, insbesondere zur Logik religiösen und nationalen Widerstands und zur Vermittlung politischer Konflikte im Fernsehen, darunter „All Is Well on the Border“ (1997). Seine Arbeit befasste sich bewusst primitiv mit dem Thema männlicher Sexualität in „crazy of you“ (1997) und „How I Love You“ (2001). Als Mitbegründer der Arab Image Foundation (Beirut) befasst sich Zaatari vor allem mit der Sammlung, Studium und Archivierung der fotografischen Geschichte des Nahen Ostens.

Profile: Robert Nelson

Die Kurzfilmtage präsentieren mit der ersten großen Robert-Nelson-Retrospektive in Europa, kuratiert von Mark Webber, eine einzigartige Gelegenheit, einen der populärsten Filmemacher der 60er Jahre wieder zu entdecken. Obwohl er einer der fleißigsten Filmemacher der 60er Jahre war, sind Robert Nelsons Filme heute selten zu sehen, da sie in den 90er Jahren aus dem Verleih genommen wurden. Einer seiner ersten Filme war „Oh Dem Watermelons“ (1965), Underground-Hit und wild-komische Attacke auf den Rassismus mit Hilfe ins Absurde  gesteigerter Klischees. Allein oder zusammen mit befreundeten Künstlern und Musikern (William T. Wiley, Steve Reich, The Grateful Dead) machte Nelson Filme wie „The Great Blondino“ (1967), „Blue Shut“ (1970) und „Hauling Toto Big“ (1997). Seine scharfsinnigen und intuitiven Arbeiten balancierten immer zwischen formaler Erfindungskraft und ansteckendem Humor, und eine Schau seiner Werke heute ist wie eine Entdeckungsreise durch das post-psychedelische Unterbewusstsein Amerikas. Robert Nelson wird seine Programme persönlich vorstellen, darunter einige Filme, die vor kurzem ins Academy Film Archive, Los Angeles, aufgenommen wurden.

Programme

Victor Alimpiev / Olga Stolpovskaya

Ausgangspunkt für das Doppel-Profil des Videokünstlers Victor Alimpiev und der Filmemacherin Olga Stolpovskaya war ihr gemeinsamer Film „Abonenty“ aus dem Jahr 2000. Olga Stolpovskaya steht in der Tradition des sowjetischen „parallelen Kinos“ und ist Teil der Gruppe CINE FANTOM, Victor Alimpiev dagegen gehört zu einer westlich geprägten Künstlergeneration der späten 90er Jahre und seine Kunstvideos werden von einer der bedeutendsten Galerien Moskaus vertreten. Das Programm stellt anhand von Werken der beiden diese zwei sehr konträren Positionen der zeitgenössischen Moskauer Filmszene vor und führt den Dialog, der mit „Abonenty“ begann, fort. In einer Kooperation zwischen den Kurzfilmtagen, crossing europe, Linz, und dem O.K. Centrum für Gegenwartskunst entwickelt Victor Alimpiev außerdem im Frühjahr 2006 eine Ausstellung im O.K.

Miranda Pennell

Die Filmemacherin studierte zeitgenössischen Tanz in New York und Amsterdam, bevor sie sich dem Tanzfilm zuwandte. In ihren mehrfach preisgekrönten Tanzfilmen nutzt sie die alltägliche Außenwelt als Ausgangspunkt – Soldaten und eine Marschkapelle, junge Eisläuferinnen, Gitarrenspieler, Stuntmen oder Amateurtänzer. Die naturalistische Beobachtung kontrastiert sie mit stilisierten, fiktionalen Welten. Die Kurzfilmtage präsentierten u.a. schon „Magnetic North“ und „Fisticuffs“ im Wettbewerb, nun widmen sie Miranda Pennell ein eigenes Programm. Gezeigt werden auch einige bislang nahezu unbekannte Werbefilme Pennells.

Boris Schafgans

Der Berliner Filmemacher Boris Schafgans blickt auf frühe Arbeiten zurück. Aus dem Nullstadium filmischer Energien erwächst ein Geflecht aus autonomer Musik, Bildgeschichte und Schriftsprache, das bereits den ganzen Film hergibt. „Nachlass zu Lebzeiten: Es lebe der Film!“ (1984) fixiert den Abgrund zwischen realen Wünschen und filmischer Wirklichkeit. „Tempi passati“ (1985) erweitert ein gelebtes Jahr um sechs Minuten Aufarbeitung, in denen der Filmemacher das Scheitern eines Projekts zum Anlass nimmt, sich selbst zu feiern. „Ein Mangel an Erscheinungen“ (1989/92) entwickelt vor der romantischen Kulisse einer deutschen Natur- und Gaslandschaft die Vereinigungsvisionen zweier Menschen, die ihre Geschichte vergessen haben.

Wettbewerbe

Rund 140 Arbeiten laufen jährlich in den Wettbewerben der Kurzfilmtage: im Internationalen, Deutschen, Kinder- und Jugendfilmwettbewerb sowie dem MuVi-Preis für das beste deutsche Musikvideo. Sie sind Forum für den filmischen Nachwuchs und zugleich Gelegenheit, sich  einen Überblick über den Stand der kurzen Form auf der ganzen Welt zu verschaffen.

Die Filme und Videos konkurrieren um Preisgelder von insgesamt rund 40.000 Euro, darunter den ARTE-Preis und den 3sat-Preis. Den Großen Preis der Stadt Oberhausen 2005 gewann der brasilianische Künstler Marcellvs L. für seine Videoarbeit „man.road.river“. Alle Preise  werden von Jurys vergeben, mit einer Ausnahme: Beim MuVi Online-Publikumspreis stimmt das Publikum per Internet ab.

Medienpartner der Wettbewerbe sind ARTE, 3sat, der Kinderkanal von ARD und ZDF KI.KA und das Musikmagazin INTRO.

Sendetermine auf ARTE, 3sat und KI.KA

  • ARTE, KurzSchluss – Das Magazin, Sondersendung Oberhausen: 3. Mai, 0.30 Uhr und 5. Mai, 15.15 Uhr
  • 3sat, Kurzfilme aus Oberhausen: 9. Mai, 21.45 Uhr
  • KI.KA, Special Kurzfilmtage: 6. Mai, 10.25 Uhr

Daten und Termine

  • 52. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen: 4. – 9. Mai 2006
  • Liste Wettbewerbsfilme online: 23. März 2006
  • MuVi-Preis online zur Publikumsabstimmung: April 2006
  • Festivalprogramm online: 7. April 2006
  • Akkreditierungsschluss: 10. April 2006
  • Download Akkreditierungsformular ab sofort: www.kurzfilmtage.de
  • Marktkatalog online: 20. April 2006

(nach einer Pressemitteilung der 52. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen)

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