47. Nordische Filmtage Lübeck
47. Nordische Filmtage Lübeck – Ein Programmüberblick
Die 47. Nordischen Filmtage Lübeck zeigen vom 3. bis 6. November 2005 insgesamt 130 Spiel-, Dokumentar-, und Kurzfilme für Jung und Alt aus den nordischen und baltischen Ländern sowie aus Schleswig-Holstein.
Reife Werke aufstrebender Regisseure
Dabei zeigt besonders der diesjährige Spielfilmwettbewerb, dass sich in den Filmlandschaften der nordischen Länder eine neue Generation führender Regisseure entwickelt hat, die das Kinogeschehen mit ausdrucksstarken Werken bestimmt. Diese Regisseure sind noch keine Altmeister, aber auch keine Debütanten mehr; sie haben bereits beachtliche Filme gedreht, und doch ist ihre künstlerische Zukunft nach vielen Richtungen offen und bleibt damit spannend. Ein Beispiel ist Per Fly, der mit „Der Totschlag“ seine Filmtrilogie über die verschiedenen Schichten der dänischen Gesellschaft grandios abschließt. Bereits die beiden vorangegangenen Teile („Die Bank“, NFL 2000, „Das Erbe“, NFL 2003) waren Riesenerfolge in Lübeck und Gewinner des NDR-Filmpreises. „Der Totschlag“ wird die Filmtage am 3. November eröffnen.
Auch der Däne Ole Christian Madsen („Pizza King“, NFL 1999) hat mit „Nordkraft“ die seit Jahren in ihn gesetzten Hoffnungen mehr als erfüllt. Mit dem bildgewaltigen Drogendrama nach dem Kultroman von Jakob Ejersbo liefert der Regisseur seinen bislang reifsten Film ab. In Dänemark hat auch der Isländer Dagur Kári („Nói Albinói“, NFL 2003) seinen neuen Film gedreht. „Dark Horse“ ist eine fein versponnene Liebesgeschichte im Stil der Nouvelle Vague. Aus Schweden ist uns Josef Fares für Komödien wie „Jalla! Jalla!“ (NFL 2001) bekannt. Doch sein neuster Film „Zozo“ schildert anrührend das Leben eines Bürgerkriegswaisen aus Beirut, den es nach Schweden verschlägt.
Vor drei Jahren sorgte Klaus Härö mit seinem Debüt, dem Kinderfilm „Elina – als ob es mich nicht gäbe“, auf den Nordischen Filmtagen Lübeck für Furore. Jetzt beweist er mit seinem zweiten Spielfilm „Mother of Mine“, dass wir noch viele wunderbare Filme von ihm erwarten können. Das Drama über einen Jungen, der während des Zweiten Weltkriegs aus dem umkämpften Finnland nach Schweden evakuiert wird, zählt ebenfalls zu den Höhepunkten des diesjährigen Wettbewerbs. Aus Finnland kommt der „Regisseur des Jahres“ Aku Louhimies, der nach seinem erfolgreichen Liebesfilm „Lovers and Leavers“ (NFL 2003), nun mit „Frozen Land“ eine kraftvolle Großstadttragödie präsentiert. Eine Sommergeschichte mit bedrohlichen Untiefen aus dem Schweden der 60er Jahre erzählt Martin Asphaug („Giftige Lügen“, NFL 1992) in „Kim Novak badete nie im See von Genezareth“ nach dem gleichnamigen Roman von Håkan Nesser. Und der norwegische Regisseur Pål Sletaune („Junk Mail“, NFL 1997) liefert mit seinem dritten Film „Nachbarn“ einen provozierend kontroversen Horror-Thriller ab, der für Gesprächsstoff sorgen wird.
Aus Litauen kommt der stilistisch beeindruckende KZ-Film „Forest of the Gods“ des berühmten Regisseurs Algimantas Puipa („Elzes Leben“, NFL 2000), und Erik Skjoldbærg („Insomnia“, NFL 2004) gestaltet Henrik Ibsens „Ein Volksfeind“ als modernes Umwelt- und Familiendrama. Ein Psychodrama um zwei Schwestern – „Harrys Töchter“ – entwickelt Richard Hobert mit seinen herausragenden Schauspielerinnen Lena Endre und Amanda Ooms.
Natürlich fehlen auch in diesem Jahr die Alterswerke und Debüts nicht. So zeigt uns zum Beispiel Gert Fredholm – seit 40 Jahren eine prägende Gestalt des dänischen Kinos – mit „Der Richter“ eine glasklare und weise Parabel über Verblendung und Verantwortung. Der Verantwortung muss sich auch die Protagonistin in Sara Johnsens „Der Kuss des Winters“ stellen. Ihr Spielfilmdebüt ist der norwegische Vorschlag für die kommende Oscar-Verleihung. Der Finne Petri Kotwica zeigt in seinem visuell beeindruckenden Erstling „Homesick“, wie die Familie einen krank machen kann, während die schwedische Regisseurin Maria Blom den familiären Banden in „Dalecarlians – Liebe ist nicht genug“ auch eine heiter-melancholische Note abgewinnen kann. In Schweden hat dieses Debüt das Publikum begeistert und die Kritiker verzückt, und auch in Lübeck wird man diese Tragikomödie lieben.
Als „Previews & Reviews“ werden einige nordische Highlights der aktuellen Kinosaison präsentiert. Hier sind „Dear Wendy“ von Thomas Vinterberg und „Manderlay“ von Lars von Trier ebenso zu sehen wie „Factotum“, Bent Hamers Bukowski-Verfilmung mit Matt Dillon und Lili Taylor, und Kay Pollaks „Wie im Himmel“, der Oscar-nominierte Kinohit aus Schweden.
Schweden und Norwegen stark im Kinder- und Jugendprogramm
Bunt gemischt und von extrem hohem Niveau ist traditionell die nordische Kinder- und Jugendfilmproduktion: Hier sind in diesem Jahr Schweden und Norwegen mit besonders starken Filmen vertreten. Mit „Sandor slash Ida“ (Regie: Henrik Georgsson) und „Die Babylon-Krankheit“ (Regie: Daniel Espinosa) kommen zwei Jugendfilme aus den schwedischen Kinos nach Lübeck, die über die schmerzhafte Suche nach der eigenen Identität im pulsierenden Großstadtleben erzählen. Der Erfolgsregisseur Kjell Sundvall („Die Jäger“, „Der Mann vom Grab nebenan“) hat mit „Nichts als Pferde im Kopf“ eine herrliche Mischung aus Kinderfilm und romantischer Komödie gedreht.
Eine Jugendkomödie mit ernsthaften Untertönen hat der Norweger Ove Raymond Gyldenås geliefert: In „Tommys Inferno“ will sich ein Teenager seine Jungfernschaft bewahren und setzt damit die Beziehung zu seiner Freundin aufs Spiel. Arne Lindtner Næss hat im vergangenen Jahr mit „Die Olsenbande rockt“ schon einmal für gute Laune gesorgt. Mit „Freunde fürs Leben“, einem Kinderabenteuer in der norwegischen Provinz, tut er dies jetzt noch einmal. Aus Estland kommt der Kassenerfolg „Der magische Kater“, eine drollige Komödie über einen Jungen, der Hilfe von einem Zauberkater erhält.
Intensive Porträts und außergewöhnliche Themen bei den Dokumentationen
Dass sie den Dokumentationen so viel Aufmerksamkeit widmen, ist eine besondere Stärke der Nordischen Filmtage Lübeck. In diesem Jahr sind ganze 26 Filme aus diesem Genre zu sehen, wobei Dänemark mit einer Reihe von hautnahen Porträtfilmen sehr stark vertreten ist: „Kann man im Himmel sterben?“ begleitet ein krebskrankes Kind während des Heilungsprozesses, „Karen Blixen – Jenseits dieser Welt“ schildert das aufregende Leben der beliebten Schriftstellerin, und „Das Geheimnis meiner Mutter“ zeigt eine Dänin auf der Suche nach ihren Wurzeln im Nachkriegsdeutschland. Mit „Der Mann hinter ‚Der Totschlag'“ und „Rukov – auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ werden zwei zentrale Gestalten des dänischen Kinos – Per Fly und Mogens Rukov – porträtiert.
Vor zwei Jahren hat der Finne Mika Ronkainen mit seinem Porträt eines schreienden Männerchors „Screaming Men“ vom Lübecker Publikum stehende Ovationen geerntet: In seinem neuen Film „Unser Sommer“ dokumentiert er voller Teilnahme den Alltag einer Frau, die ihren kranken Vater pflegt. Aus Finnland kommen auch „Der Stein von Kainuu“ und „Riot On!“, die beide auf sehr unterschiedliche Weise von den harten Gesetzen der globalen Marktwirtschaft handeln.
Zwei thematisch außergewöhnliche Musik-Dokumentationen kommen aus Island, „Screaming Masterpiece“, und Lettland, „Romeo und Julia“. „Rolling Like a Stone“ zeigt Rock-Musiker aus Schweden, die auch nach 40 Jahren an ihren Idealen festhalten. Um Facetten der Jugendkultur geht es in zwei Dokumentationen aus Norwegen: „Still Young“ ist eine unterhaltsame Geschichte des skandinavischen Kinder- und Jugendfilms, in „Raw Youth“ werden die Konflikte an einer Osloer Schule mit hohem Ausländeranteil nach den strengen Dogma-Regeln geschildert und „Die Armdrückerin aus Einsamkeit“ zeigt eine bemerkenswerte junge Frau aus dem äußersten Norden Schwedens.
100 Jahre Kino aus Norwegen
Norwegens Filmindustrie besteht – ebenso wie die staatliche Souveränität des Landes – seit 100 Jahren: Dieser runde Geburtstag ist Grund genug, das Filmland mit einer Reihe von Highlights aus der norwegischen Kinogeschichte zu feiern. 19 Filme aus allen Genres und Perioden wird es zu sehen geben – angefangen bei Klassikern der Frühzeit wie „Schneeschuhbanditen“ von 1928 über die großen Erfolge des Goldenen Zeitalters wie „Gjest Baardsen“ von 1939 bis zum Neorealismus der Nachkriegszeit, zum Beispiel in „Straßenjungen“, und den Anfängen der Jugendkultur in „Frühehe“ mit der jungen Liv Ullmann. Die Retrospektive reicht bis in die jüngsten Entwicklungen der Filmproduktion Norwegens mit Erfolgen wie „Der Telegraphist“ oder „Sofies Welt“ nach dem Weltbestseller.
Die Retrospektive wird ergänzt durch die Schau „Jung in Norwegen“, in der einige Klassiker des norwegischen Jugendfilms präsentiert werden.
Hommage Armin Mueller-Stahl
Ehrengast der diesjährigen Nordischen Filmtage Lübeck ist einer der wenigen deutschen Weltstars des Kinos – und wohl der einzige, der ein inniges Verhältnis zu Lübeck pflegt: Der Schauspieler Armin Mueller-Stahl. Er arbeitete mit Frank Beyer, Rainer Werner Fassbinder, Jim Jarmusch, Bille August und Steven Soderbergh, um nur einige namhafte Regisseure zu nennen. Seit Jahren wohnt das auch als Maler, Musiker und Schriftsteller aktive Multitalent in der Nähe von Lübeck – eine Partnerschaft, die in der grandiosen Verkörperung Thomas Manns in Heinrich Breloers TV-Mehrteiler „Die Manns“ ihren Höhepunkt fand. Die Nordischen Filmtage Lübeck freuen sich, Armin Mueller-Stahl, der in diesem Dezember 75 Jahre alt wird, eine Hommage zu widmen. Im Mittelpunkt steht unter anderem Jim Jarmuschs Kultfilm „Night on Earth“ von 1991. Mueller-Stahl spielt darin auf anrührend komische Weise den New Yorker Taxifahrer Helmut, einer seiner zahllosen Auftritte, die ihn unvergesslich machten.
Inspiriert von dieser Rolle hat Mueller-Stahl zu dem Film eine Serie von Lithografien geschaffen, die bei den Nordischen Filmtagen Lübeck vom Kunsthaus Lübeck im CineStar Filmpalast präsentiert werden.
(nach Pressemitteilungen der Nordischen Filmtage Lübeck)