Schleswig-Holstein Musikfestival 2005:
Tanz der Trommeln
Das Ensemble Wadaiko Matsumura Gumi bot auf der Freilichtbühne Eutin Einblicke in japanische Trommelkunst.
Zwei Trommler in Kostümen wie Judo-Kämpfer und nicht minder athletisch, wenn sie sich im Spagat vor der riesigen O-Daiko und ihren kleineren, aber nicht minder schlagkräftigen Geschwistern Nagado-, Okedo- und Shime-Daiko postieren. Dass es sich bei der japanischen Trommelkunst Daiko nicht nur um Musik, sondern auch um einen rituellen Akt zur Beschwörung archaischer Geister handelt, wird auf der (ausverkauften) Freilichtbühne in Eutin so schon äußerlich deutlich.
„Haiate“, was so viel wie „kurz aufwallender Wind“ heißt, titelt das erste Stück des siebenköpfigen Wadaiko Matsumura Gumi Ensembles aus Kobe. Doch der „Wind“ hat schon am Anfang einige stürmische Beaufort. Besonders das Trommeln auf die im Zentrum der Bühne thronende O-Daiko gleicht sportlicher Schwerstarbeit, begleitet von ebenfalls zum Ritus der tanzenden Trommeln gehörenden Beschwörungsrufen, die wie Anfeuerungen zu einem Kung Fu-Kampf anmuten.
Doch nicht nur kriegerischen Geistern gilt der energische Tanz der Trommelstöcke, auch zu leiseren Perkussionen sind die Instrumente fähig, wenn sie einen „friedlichen Phoenix“ oder den „leuchtenden Mond“ besingen. Ja, besingen, denn zwischen die martialischen Daikos mischt sich das Klöppeln und Klingen von melodischer Marimba und der Shinobue, einer japanischen Bambus-Flöte, sowie das sanft entrückte Klirren der Chappas, japanischer Zymbeln.
Musik als mystisch-meditativer Akt der Selbstzentrierung, das ist nicht nur fernöstliche Auslegung und Anregung, sondern vielleicht ein universales Prinzip des Klänge Machens. Für Bandleader Kimihiko Matsumura ist das, wie er wortreich erläutert, der Grund, warum das Ensemble mit jazzig geblasener Pan-Flöte, Okarina und der Kalang, einer Art Ukulele, zuweilen auch mal südamerikanisch oder europäisch klingt: „Weltmusik zur Überwindung der Grenzen!“ Wenn das Ensemble mit jeweils zwei Trommlern die zwei Membranen der Okedos massiert, macht schon die Physik der Resonanz etwas, das man als Dialog bezeichnen könnte, Dialog der Schläge, Rondo des Rhythmischen – und nicht zuletzt einen bildlich ästhetischen Eindruck, weil der konzertante Kampf der Trommeln wirkt wie eine Jonglage der Trommelstöcke. Ton und Bild – hier bilden sie eine harmonische Einheit mitten im Kosmischen.
Und mitten in „der einen Welt“. Dass die Perkussion der mitklatschenden Publikumshände wie beim Schlager den Schlägen folgt, ist der beste Beweis dafür, dass der Tanz der Trommeln Kulturgrenzen virtuos überspringt. Mit dem abschließenden „Kobe Hatsu“ bedanken sich die Japaner für die Solidarität auch der Europäer, als Kobe 1995, im Gründungsjahr des Ensembles, von einem Erdbeben erschüttert wurde. Das Beben von heute auf der Eutiner Freilichtbühne ist somit auch eines der trommelnden Völkerverständigung. (jm)