Schleswig-Holstein Musikfestival 2005:

Entwicklung und Ewigkeit

Takemitsu und Brahms im Schloss Gottorf

Es ist wie mit dem Wasser, ein sich ständig bewegendes Element, dem dennoch die Erhabenheit des Ewigen innewohnt. Tôru Takemitsus „Between Tides“ für Geige, Cello und Klavier ebenso wie „Hika“ und „Distance de Fée“ für Geige und Klavier stehen dabei für letztere Art musikalischer Verflüssigungen, denen man auf Schloss Gottorf mystisch verzaubert lauschen konnte.

Brahms steht für die andere, den sich streng aus sich selbst entwickelnden Satz in der „Cello-Sonate Nr. 1, op. 38“ wie in der „Violin-Sonate Nr. 2, op. 100“. In ersterer glänzt Danjulo Ishizaka mit einem außergewöhnlich intensiv impressiven Sound. Wo Brahms wie rund 100 Jahre später Takemitsu mit dem prekären Paar Tradition versus Moderne kämpft, bei Brahms sind es die quasi „taub“ machenden Vorgaben von Beethoven, spielt Ishizaka das Ringen um Nachfolge so modern emotional, dass Brahms‘ kontrapunktisch kantiger Schöpfungsakt sich in den fließenden Atem unbedingter Gegenwärtigkeit auflöst.

Noch mehr Beifall erntet der 17-jährige Geiger Ryu Goto für seine jugendlich ungestüme Interpretation eines aufschlussreichen Tricks der SHMF-Programmmacher. Zwischen die drei Sätze der locker flockig tändelnden Violin-Sonate, ein verspieltes Gelegenheitswerk der Brahmsschen Kunst der Variation, haben sie Takemitsus Adaptionen der Form „Violin-Sonate“ gestellt. Aufschlussreich, weil deutlich wird, wie Takemitsu japanische Tradition mit westlicher Moderne verbindet. Wo das alte Europa mit dem linear sich entwickelnden Zeitpfeil gleichsam hegelianisch zielt, weiß der Ferne Osten um das Zyklische aller Entwicklungen, um die Ewigkeit. Wo Brahms variiert und verziert, verzehrt sich Takemitsu ganz bewusst im Kreisen um ein Zentrum, das nicht zuletzt Momo Kodama als sich in die Schranken weisende Klavierbegleiterin in ruhigem Fluss inszeniert. (jm)

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