Warum die Wolken rosa sind
Lorenz Müller hat seinen Animations-Kurzfilm „Fliegen“ fertiggestellt – wir durften ihn schon sehen.
Die Brille aufgesetzter Romantik ist sprichwörtlich eine rosane, Wolken-Guckglücks-Heime sind es sowieso. Etwa, wenn Hans Albers im Soundtrack singt: „Flieger, grüß mir die Sonne, grüß mir die Sterne und grüß mir den Mond!“ Lorenz Müller gibt seinem 65 Sekunden kurzen Animationsfilm „Fliegen“, der aus den Vorarbeiten bei einem Animationsfilm-Seminar entstand, das der Kieler Filmemacher Krzysztof Tuszynski 2004 in der Kieler Filmwerkstatt veranstaltete, folgende Inhaltsangabe bei: „Ein stolzer Flieger macht Kapriolen und kriegt die Klatsche.“
Ein stolzer Flieger …
Fliegen? Klatsche? Richtig: Fliegenklatsche! Was da eingangs als lustiges Männlein mit dickem Bauch, der keck fliegerheldisch gereckt dann doch dumpf in die Weichen zurückfällt, ins Bild marschiert, um solchen Schwer- und Beschwerniskräften zu trotzen und als „Roter Baron“ noch keckere Flugakrobatik im Doppeldecker zu betreiben, endet unter der Klatsche einer Fliege als rosa Wolke.
… und eine garstige Fliege
Alles ist vergänglich, vor allem wenn man die Blickrichtung umdreht. Nicht der Flieger macht der Fliege den Garaus, sondern umgekehrt. Fliegen will eben gelernt sein und dass das die Sechsbeiner weitaus besser können als Sonne, Mond und Sterne grüßende Zweibeiner in Flugmaschinen, ist womöglich nicht genug bekannt, als dass darauf nicht humorvoll hingewiesen werden könnte.
Die rosa Wolken am blauen Himmel, die hernach durchs Bild schweben – alles von Fliegen geklatschte Flieger. Eine nicht witzige, sondern gewitzte Avance an Splatter- und … UFA-Movies. Denn letztere wie der mit Hans Albers wurden gedreht, während nicht weit von Potsdam die Propaganda das Splattern und „Fliegen“ Klatschen zur Staatsräson erhob.
Wäre das überinterpretiert? Zu ernsthaft? Mag sein. Aber es zeigt doch, wie viel Assoziationspotenzial in nur 65 Sekunden animiertem Comic stecken kann. Komödie und Tragödie liegen da ganz nah beieinander und sind doch so träumerisch verwoben, dass die Widmung „für Hans Albers“ nicht bloß als Gag fliegengeklatscht wird, sondern Romantik hat.
Und dass Lorenz Müller dem Werkchen, das doch ein Werk ist, produktionsnotizend nachsagt, „jedes Frame“ habe „Blut, Schweiß und Tränen“ gekostet, zeigt einmal mehr einen doppelbödigen Ironiker, der mit „Fliegen“ flügellahmen Fantasielosen die Klatsche gibt, nebst einer lehrreichen Ohrfeige über das Fliegen, äh … Filme Klatschen, äh … Machen an sich.
Und deshalb, ja deshalb, sind die Wolken am Himmel über dem Kino ab sofort rosa 😉 (jm)