55. Internationale Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2005
Komödiantisch schwarzer Krimi
„Silentium“ (Wolfgang Murnberger, Ö 2004)
Silentium! Ruhe jetzt – Film ab! Wir befinden uns im lieblichen Salzburg, der Stadt der Mozartkugeln und der Festspiele. Doch auch dort lauert das Verbrechen überall und so erwischt Privatdetektiv Brenner (Josef Hader) im örtlichen Warenhaus denn gleich die Tochter des Festspieldirektors beim Klau von schwarzer Unterwäsche. Zwar muss er sie laufen lassen und verliert sogar noch seinen Job, weil gegen solcherlei Persönlichkeiten in Salzburg nicht das Wort erhoben werden darf, aber schon engagiert die junge Dame (Maria Köstlinger) ihn selbst. Warum? Ihr Mann, Gottlieb Dornhelm, war kürzlich vom Mönchsberg gestürzt und tödlich verunglückt – alle gingen von Selbstmord aus. Nur nicht die Gattin, denn schließlich hatte ihr Mann niemand Geringeren als den Erzbischof der sexuellen Belästigung in früheren Jahren beschuldigt. Und natürlich weiß gerade Frau Dornhelm sehr gut, was passiert, wenn man sich in Salzburg die Spitzen der Gesellschaft zum Feind macht …
„Silentium“ steht auch über dem Eingang der Gemeinschaftsdusche des erzbischöflichen Knabeninternats Marianum, wohin Brenner sein Ermittlungsweg sogleich führt. Zwar überschlägt man sich dort vor Wohltätigkeit, denn in die Dusche dürfen nicht nur kleine Jungen, sondern auch die Obdachlosen des Ortes steigen – da tarnt Brenner sich doch gleich entsprechend und macht so die Bekanntschaft des umfassend karitativ engagierten Sportpräfekten Fitz (Joachim Król), der ihm einen Job im Marianum verschafft. Und nun kann Brenner nach Herzenslust ermitteln, nicht nur in Kirchenkreisen, sondern auch bei den Festspielen, deren Direktor (Udo Samel) für seine weiblichen und männlichen Diven quasi alles zu tun bereit ist und sogar deren Müll archivieren lässt. Dies erfährt Brenner, wie der Zufall es will, durch seinen unverwüstlichen Kumpel Berti (Simon Schwarz), der als Sanitäter mit seiner Ambulanz das Terrain unsicher macht.
(Szenenfoto: Berlinale)
Doch es bleibt nicht beim Müllsammeln und bei zurückliegenden Päderastengeschichten. Brenner tut im Laufe der Ermittelungen wahre Krater im schönen Schein des Salzburger Establishments auf. Und wenn der größte Opernregisseur (Christoph Schlingensief) und sein Star (Jürgen Tarrach) ausgerechnet „Die Entführung aus dem Serail“ auf die Bühne bringen, ahnt der Zuschauer schon so manche Korrespondenz mit der Realität …
Das Erfrischende an „Silentium“ ist, neben der wunderbaren Besetzung und dem gnadenlosen schwarzen Humor, dass die Dramaturgie des Films auch einfallsreiche groteske Szenen umfasst. So wirken die zahlreichen, stets auf dem Grat jeglicher Geschmacksgrenzen wandelnden Szenen der unmöglichsten Quälereien mit großzügigem Einsatz von Kunstblut nicht ganz so realistisch nach. Aber Regisseur Wolfgang Murnberger lässt sich nicht lumpen und lässt es vor Action-Szenen und Filmzitaten nur so wirbeln. Und am Schluss, als den wahren Bösewicht auch noch so gnadenlos sein Schicksal einholt, entdecken wir Zuschauer wohl auch unsere schwarze Seele.
Wenn auch die Gesellschaft verderbt ist durch und durch – es gibt auch versöhnliche Töne in „Silentium“. So fahren Brenner und Berti am Ende mit der kühlen und doch reizenden Apothekerin (Anne Bennent) ganz anachronistisch in den schönen österreichischen Frühling hinaus. Und dass es beruhigende Konstanten im Leben gibt, das beweisen allein schon der Leberkäs und die Knackwürste. Doch um deren Geheimnis zu erfahren, muss man den Film, der auf der Berlinale den Panorama-Publikumspreis gewann, erstmal ansehen, und das lohnt sich! (gls)