„Historische Habicht-Beiz“ – Ein Drehbericht

Museumskurzfilme sind ‚in‘. Ob als ausstellungsbegleitender Stummfilm in Vitrinen oder als Projektion in eigens eingerichteten Räumen, Museen nutzen zunehmend die Chance, Vergangenes in der Form von bewegten Bildern zu veranschaulichen. Dabei zeigt sich besonders im Zusammenspiel von historischen Exponaten, Repliken und Kurzfilmen ein vermehrter Zuspruch auch beim jüngeren Publikum. Des Weiteren bieten Filme vielfältige Nutzungsmöglichkeiten, z.B. als Trailer für Internetauftritte oder die Vermarktung von DVDs im Museumsshop.

Nachdem die Schließung der ehedem eigens für die Herstellung von Dokumentarfilmen geschaffenen AG Film der Kieler Universität in Schleswig-Holstein eine riesige Lücke im Bereich des wissenschaftlichen Kurzfilms hinterlassen hat, ist es für Museen zusehends schwieriger, Firmen zu finden, die bezahlbare aber zugleich filmisch gute und wissenschaftlich redliche Dokumentationen anbieten. Aus diesem Grund haben ehemalige studentische Mitarbeiter der AG Film nach ihrem Studienabschluss eine eigene Firma gegründet. Ziel der neuen Produktionsgesellschaft greve&hochscherf filmproduktions GbR ist es, fachliches und technisches Know-How zu verknüpfen und zusammen mit den einzelnen Kulturinstitutionen spezielle Konzepte zu erstellen, die auf die jeweiligen Bedürfnisse von Ausstellungs- oder Museumskonzepten zugeschnitten sind.

Als einer der ersten Aufträge trat das Wall-Museum in Oldenburg/Holst. an den Dokumentarfilmer Dr. Kurt Denzer heran, um einen Kurzfilm über eine historische Habichtbeiz zu drehen. Besondere Vorgabe hierbei war, dass der Film vollkommen ohne Ton verständlich sein sollte, da er im Museum in Endlosschleife stumm neben authentischen Ausstellungsstücken gezeigt werden soll.

Bevor der eigentliche Dreh begann, erstellten Dr. Kurt Denzer und Dr. Rüdiger Schniek in enger Zusammenarbeit mit dem Falkner Gregor Freund ein Drehbuch. Neben historischer Genauigkeit bis ins kleinste Detail mussten der Ablauf der Jagd und besonders das Verhalten der Tiere berücksichtigt werden. Schnell wurde klar, dass das, was im Film eventuell gut aussähe, der Habicht oft nicht mitmachen würde. So musste u.a. darauf geachtet werden, dass sich keine Darsteller hinter dem Raubvogel und somit außerhalb seines Sichtfeldes aufhalten durften, da dies den Raubvogel beunruhigen würde. Des weiteren waren alle Jagd-Laien erstaunt, dass der eigentliche Beuteflug des Habichts nur einige wenige Sekunden dauert und meist nur auf kurze Entfernungen stattfindet. Trotz eines genauen Drehbuchs und mehrmaliger Treffen musste vieles, was man im Vorfeld nicht klären konnte, offen gelassen werden – z.B. wie der Raubvogel, die Pferde, der Jagdhund und die Schauspieler aufeinander reagieren würden.

Die Aufnahmen, welche zunächst für einen Drehtag angesetzt waren, begannen früh morgens am 15. Januar auf dem Bundeswehrgelände bei Seeth. Neben Vertretern des Museums, Dr. Rüdiger Schniek, und dem Filmteam, bestehend aus Dr. Kurt Denzer, Tobias Hochscherf und Gregor Greve, waren auch zwei Falkner und eine Re-enactment-Gruppe in historischer Kleidung zugegen. Einige der Laienschauspieler waren sogar aus dem Ruhrgebiet angereist. Die Bedingungen waren gut, auch wenn sich das ständig wechselnde Wetter besonders beim späteren Schnitt als tückisch erweisen sollte. Obwohl an dem Tag besonders mit langer Brennweite viele schöne Einstellungen gelangen und die Schauspieler trotz eines frischen Windes mit viel Geduld Szene für Szene mehrfach wiederholten, gab es unvorhergesehene Probleme. Weder der Habicht wollte so recht fliegen, noch folgte der Hund den Anweisungen, noch konnte das Filmteam eine Ente überreden aus einem schützenden Gebüsch in die Freiheit zu fliegen – als sie dies schließlich doch tat, geschah dies in völliger Missachtung des erdachten Kameraausschnitts, so dass die Aufnahmen nicht zu verwenden waren.

Beim ersten Rohschnitt zeigte sich ferner, dass die zwei verwendeten Sony Kameras (VX1000 und PD100) ein deutlich verändertes Farbverhalten haben. Die VX1000 hat die grau-gelben Grasflächen digital verstärkt als saftige Sommerwiesen aufgenommen. Eine Farbkorrektur am Avid konnte hier nur begrenzt Abhilfe schaffen.

Nach reiflicher Überlegung und ohne eine andere Wahl wurde beschlossen, ein zweites Mal nach Seeth zu fahren, um die fehlenden Tierszenen zu drehen. Gedreht wurde mit einer PD100 und anstatt der VX1000 einer PD150. Da diesmal neben dem Falkner Gregor Freund nur Dr. Kurt Denzer, Gregor Greve und Tobias Hochscherf am Set waren, schien der Habicht wie ausgewechselt. Dank der sorgsamen und intensiven Vorbereitung des Raubvogels durch den Falkner konnten in nur zwei Stunden alle fehlenden Szenen aufgezeichnet werden.

Da der Film im Museum in Endlosschleife stumm gezeigt werden soll, lag die besondere Schwierigkeit des Filmschnitts – wie auch des gesamten Projekts – darin, ohne Kommentar, Atmo und möglichst auch ohne Zwischentitel die gesamte Jagdszene darzustellen. Anders als oftmals im Fernsehen, ging es um eine Rückbesinnung auf die eigentliche Stärke des Films, seine visuelle Ausdruckskraft. Besondere Bedeutung kam so dem geschickten Einsatz von mise-en-scène und dem Schnitt zu.

Nachdem die gesamte Jagdgesellschaft und deren wichtigste Akteure, der Falkner, der Fürst, der Habicht und der Jagdhund, in einer Sequenz, bestehend aus Totalen, Halbtotalen und halbnahen Aufnahmen, vorgestellt werden, zeigen zahlreiche Nahaufnahmen die sorgsam hergestellten Kostüme und verweisen so auf den historischen Kontext. Insgesamt wurde versucht, mit einer ruhigen Eingangssequenz, bestehend aus relativ langen Einstellungen, beim Zuschauer ein Gefühl für den Ablauf der Jagd zu erzeugen. Erst in dem Moment, in dem der Hund Witterung aufnimmt, werden die Schnitte kontinuierlich schneller, bis der Raubvogel die Beute geschlagen hat. So gelingt es, die unglaublich schnelle und somit kurze Jagd durch die Filmkomposition selbst zu verdeutlichen.

Alles in allem bleibt festzuhalten, dass der fertige Film nur aufgrund der langen Vorarbeit und der großen konzeptionellen Freiheit, die vom Museum eingeräumt wurde, herzustellen war. Die Premiere des Films findet am 30. März, 16 Uhr im Wall-Museum Oldenburg statt. Ferner läuft der Film bei den Archäologie-Filmfestivals in Nyon und Amiens. (Tobias Hochscherf)

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