Das Doku-Drama „Die wundersamen Reisen des Hans Christian Andersen“ hat bei ARTE Premiere
Es ist das Jahr 1832. Der noch junge und kaum bekannte Hans Christian Andersen kehrt auf einer Reise in seine Geburtsstadt Odense zurück. Er scheut sich davor, das Elternhaus zu besuchen, und blickt dann doch durch die kleinen Fensterscheiben in die Stube hinein. Merkwürdig, denn eigentlich hatte er immer von einer glücklichen Kindheit erzählt. Andere Bilder entstehen nun vor seinem inneren Auge. Da tauchen die alkoholkranke Mutter und der Vater, ein bettelarmen Schuster, wieder auf. Und die verruchte Schwester Karen, die er sein Leben lang verschweigen wird.
Lüge und Wahrheit, Märchen und Realität – für Hans Christian Andersen ist die Fantasie bereits in Kinderjahren Ersatz für die harte Wirklichkeit. Gerade 14 Jahre alt, war er nach dem Tod des geliebten Vaters mit ein paar Talern in der Tasche nach Kopenhagen gegangen, ein schlaksiger, hoch aufgeschossener Junge mit großer Nase und eng stehenden Augen, voller Vitalität, Mut und seltener Energie.
Aus diesem Jungen wird bald Hans Christian Andersen Superstar. Aus seiner Feder entspringen nach abenteuerlichen Reisen in den Süden, ins ruinenhafte Rom und verruchte Neapel, Märchen wie „Die kleine Meerjungfrau“, „Das hässliche Entlein“, „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ und „Die Prinzessin auf der Erbse“. Alle handeln sie mehr oder weniger vom eigenen Leid und Entbehren des Dichters. Mit Edward Collin, dem Sohn seines Mäzens, verbindet ihn seit frühen Jugendjahren eine homoerotisch anmutende Tändelei und eine merkwürdige lebenslange Freundschaft. Er schreibt herzergreifende Briefe, voller Sehnsucht nach seelischer Vereinigung mit dem jungen Mann und wird schroff mit „schneeköniglicher Kühle“ abgewiesen, als er das „Du“ von Edward erbittet.
Daneben wächst Andersens internationaler Ruhm in den 1840er Jahren ins Unermessliche. Zu seinem Glück fehlen ihm aber zwei Dinge: ein eigenes Heim und ein Lebenspartner. 1843 beginnt eine nahezu tragisch-komische Liebesbeziehung zu der schwedischen Sängerin Jenny Lind, die als „Schwedische Nachtigal“ Triumphe auf allen Bühnen Europas feiert. Die überaus reizende Sängerin kann es geschickt vermeiden, den drohenden tölpelhaften Heiratsantrag des Märchendichters abzuwehren. Der immer stärker zur Hypochondrie neigende Andersen ist über diesen Verlauf seines Lebens maßlos enttäuscht, die verschrobene Eitelkeit und das Gefühl der Einsamkeit nehmen zu.
1867 gibt es Trost. Der berühmteste Däne seiner Zeit, der einst als armer Schusterjunge geborene Hans Christian Andersen, wird zum Ehrenbürger seiner Vaterstadt Odense ernannt. Bei seiner Ankunft bereiten ihm Tausende in den hell erleuchteten Straßen einen begeisterten Empfang. Bis seine ewigen Zahnschmerzen ihn vom Balkon treiben. In Pariser Bordellen sucht er nun müde und verzweifelt nach dem Geheimnis der körperlichen Liebe, die ihm sein Leben lang verschlossen geblieben war.
In den letzten Jahren ist er schwer an Krebs erkrankt und schnell zum Greis gealtert. Zuletzt bewohnt er ein paar Zimmer in einer Pension am Nyhavn, direkt im Herzen Kopenhagens. Verärgert über ein in seinen Augen geschmackloses Denkmal, das zu seinen Ehren errichtet werden soll, begeht er seinen 70. Geburtstag. Wenige Monate später stirbt er. Kurz zuvor hatte er noch geträumt, er habe tot in einem Weggraben gelegen und bunte Blumen seien aus seinem Körper gesprossen.
Das Doku-Drama „Die wundersamen Reisen des Hans Christian Andersen“ geht einen überraschenden und überaus spannenden Weg in der filmischen Darstellung einer Künstlerbiografie im 19. Jahrhundert, indem es auf psychologische Weise historisches Dokumentarmaterial mit Spielfilmsequenzen verknüpft. Dabei wird Andersens außergewöhnliche Lebensgeschichte vom armen Schusterjungen zum gefeierten Märchendichter als „innere Reise“ eines zutiefst zerrissenen und zugleich höchst modernen Menschen erzählt. Der dänische Theater- und Kinostar Lars Mikkelsen spielt die Rolle des Hans Christian Andersen, der sein Leben als Märchen verstand, der mit Königen und Fürsten tafelte und trotzdem einsam starb.
Entstanden ist als deutsch-dänische Koproduktion von dmfilm und tv produktion (Hamburg, Kiel) und Danmarks Radio TV damit ein einzigartiger, in seiner Anmutung märchenhafter Film über das Leben des berühmtesten aller Märchendichter, bei dem sich die renommierten Filmemacher Wilfried Hauke, Mads Baastrup und Piv Berndt Buch und Regie geteilt haben.
Gedreht wurde an historischen Reisezielen Andersens, auf der Nordseeinsel Föhr, im Harz, in Rom und Neapel, auf Capri sowie an Originalschauplätzen in Odense und Kopenhagen und in Herrenhäusern auf Fünen und Seeland. Die 800.000 Euro teure Fernsehproduktion wurde von der MSH sowie dem dänischen Bikuben-Fond mit erheblichen Mitteln gefördert.
Einen Tag nach Hans Christian Andersens 200. Geburtstag hat der Film am 3. April 2005 im Rahmen des Themenabends „Vom Zauber der Märchen“ auf ARTE Premiere.
(nach einer Pressemitteilung der dmfilm und tv produktion)