Voll auf der Rolle: VideoFilmFest der LAG Jugend und Film Schleswig-Hostein

Sehen und gesehen werden, diskutieren und diskutiert werden, prämieren und prämiert werden: Drei Verben verschiedener Genera, die das Video-Film-Fest auf dem Scheersberg seit eh und je sehr gut beschreiben. Nach Aktiv oder Passiv fragt hier keiner mehr – der unbemerkte Wechsel des grammatischen Geschlechtes gehört wohl einfach schon dazu. Die Filmemacher wollen, dass sie gesehen werden, dass ihre Filme diskutiert werden, und, dass ihre Arbeiten am Ende (hoffentlich) prämiert werden. Und das, ohne auf ihre aktiven Beiträge – das Sehen, das Diskutieren, das Prämieren – zu verzichten.

Zahlreiche Ehrengäste beim Doppel-Jubiläum

Wieder Hunderte junge Filmemacher aus dem ganzen Land kamen vom 19. bis 21. November 2004 nach Quern in der Nähe Flensburgs, um den beschriebenen Reiz dieses Festivals auszukosten. Gleich zwei große Jubiläen wurden im vergangenen Jahr auf dem Video-Film-Fest in der Internationalen Bildungsstätte Jugendhof (IBJ) Scheersberg gefeiert: Zum einen der 30. Geburtstag der Landesarbeitsgemeinschaft Jugend und Film Schleswig-Holstein, zum anderen das 15-jährige Bestehen des Festivals.

Zahlreiche Ehrengäste hatten sich zu dem Doppel-Jubiläum angemeldet. Jugendministerin Anne Lütkes (Bündnis 90/Die Grünen) ließ sich wenige Stunden vor den Feierlichkeiten aufgrund politischer Querelen in ihrem weiteren Ressort – dem Kieler Justizministerium – entschuldigen.

Miguel Alexandre: Idol und Star zum Anfassen

Aber auch ohne politische Grußworte wurde der Abend zu einem vollen Erfolg, denn so hatte Miguel Alexandre mehr Zeit über seinen Kurz-Streifen „About War“ zu plaudern. Der bundesweit bekannte Regisseur hat sich durch diverse Fernseh-Produktionen und seinen Spielfilm „Gran Paradiso“ inzwischen einen Namen gemacht. Als Schüler in Lübeck wurde Miguel Alexandre einst von der LAG gefördert und erhielt, wie er heute selbst sagt, dadurch einen wichtigen Motivationsschub für den Start seiner Profi-Karriere.

Ulrich Ehlers und Filmemacher Miguel Alexandre

Für viele Jungfilmer ist der gebürtige Portugiese nicht nur Idol, sondern auch ein Star zum Anfassen. Nach der Präsentation des Filmes „About War“, mit dem er 1993 für den internationalen Jugend-Oscar nominiert wurde, stand er seinen Fans in langen Gesprächen Rede und Antwort.

LAG und Scheersberg: Ein Leuchtturm für die Filmkultur im Land

Unterdessen erzählte Ulrich Ehlers, LAG-Vorsitzender und Studienleiter auf dem Scheersberg, aus der beeindruckenden Geschichte der ehrenamtlichen Einrichtung. „Vor 30 Jahren haben wir hier die LAG im Scheersberg-Zimmer gegründet.“ Seitdem hat sich viel getan – nicht nur, was die technische Entwicklung vom Schmalfilm zum Digitalspeicher angeht.

IBJ-Direktor Hartmut Piekatz dankte der Arbeitsgemeinschaft für die jahrelange Treue und lobte: „Die Arbeit der LAG ist nur so gut, wie die Menschen, die engagiert und kompetent diese Arbeit machen.“ Piekatz sei stolz, mit seinem Hause Raum für „innovative filmische Experimente“ bieten zu können: „Die LAG ist ein Licht, das weit ins Land hinausstrahlt“, unterstrich IBJ-Chef Hartmut Piekatz, „und wir haben den passenden Turm dazu.“

Positiv wurde auch das rege Interesse der Presse an dem Ereignis beurteilt. So schickte der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (sh:z) aus Flensburg zum ersten Mal eine eigene Vertreterin. Auch die Dithmarscher Landeszeitung (Boyens Medien, Heide) berichtete über das Festival. Den weitesten Weg hatte allerdings der Österreicher Rodja Pavlik auf sich genommen. Der Wiener Filmexperte und Profijournalist (unter anderem tätig für die APA) fühlte sich ganz im Norden Deutschlands pudelwohl: „Die Atomsphäre und die Intimität machen den Scheersberg einfach einzigartig.“

Kurzfilme als Spiegelbild der politischen Lage

Im vergangenen Jahr war das Spektrum der gezeigten Kurzstreifen bei dem traditionellen Video-Film-Fest so vielfältig, wie fast nie zuvor. Ob Comedy, Selbstmordfilm, Reisereportage oder simple technische Spielereien – für nahezu jeden Geschmack war etwas dabei. Angesichts der derzeitigen innenpolitischen Lage, so vermuteten viele, nahm die Anzahl der Sozialdramen sprunghaft an. Das Festival – organisiert von der Landesarbeitsgemeinschaft Jugend und Film und der Internationalen Bildungsstätte Jugendhof Scheersberg – ist für die jungen Filmemacher aus ganz Schleswig-Holstein wie die Oskar-Verleihung für Hollywood-Stars.

Mit viel Charme und Witz führte das Moderatoren-Trio Ulrich Ehlers, Thomas Plöger und Ingo Mertins durch das dreitägige Marathon-Programm. Überdies hat sicherlich die Vielzahl verschiedener Altergruppen zum Gelingen der Video-Konkurrenz beigetragen. So waren nicht nur die für hohe Begabung bekannten Film-Studenten und einzelne Jung-Regisseure vertreten, ebenso überzeugten Arbeitsgemeinschaften der Sekundarstufe 1 durch pfiffige Ideen und innovative Kameraführung.

Thomas Plöger und Rasmus Greiner stehen dem Publikum Rede und Antwort.

„Still gewinnt“ gewinnt

Wie immer war die Beurteilung der einzelnen Beiträge kein leichtes Unterfangen für die dreiköpfige Jury, die sich aus Dr. Hauke Lange-Fuchs (Nordische Filmtage), Claus Oppermann (Filmemacher) und Kulturexpertin Stefanie Oeding (Flensburg) zusammensetzte. In der Vorjury entschieden Ulrich Ehlers, Ingo Mertins, Sarah Rohloff und Jenny Scheib, welche der 50 eingesendeten Filme über die Leinwand flimmern.

Doch zum Schluss konnten nach der qualifizierten Mehrheit die Preisträger ermittelt werden. Mit seiner turbulenten Komödie „Still gewinnt“ siegte mit dem 24-jährigen Holger Köhler-Kaeß ein alter Bekannter der Jugendmedien-Szene im Lande. Die professionelle Umsetzung – gekennzeichnet vor allem durch den Einsatz einer Steadycam – und der urkomische Plot imponierten nicht nur den Preisrichtern. Kaeß – der aufgrund eines Praktikums selber nicht erscheinen konnte – ist nun um 750 Euro reicher.

Moderator Ingo Mertins von der LAG im Gespräch mit den jungen Filmemachern Felix Helfrich (von rechts), Vanessa Busack, Nils Kruse und Videolehrer Hans Friedrich Helfrich von der Meldorfer Gelehrtenschule

Rasmus Greiner aus Arkebek (Landkreis Dithmarschen) konnte sich über 500 Euro freuen. Sein von Zufall und Schicksal geprägtes Werk „Was denkt man, wenn…“ landete am Ende auf dem zweiten Platz. Zur Zeit studiert Greiner Medienwissenschaften an der Universität zu Marburg.

Überraschend Dritte wurden die 17-jährigen Meldorferinnen Meike Mohr und Lena Modrow. Das Gesellschaftsdrama „Everlasting“ der beiden Elftklässlerinnen wurde für das eigentliche Festivalprogramm nachnominiert. Mit berührenden Bildern und passender Musik zeigten sie das Leben zweier Freundinnen nach einer Vergewaltigung und dem sozialen Abstieg bis zum Leben auf der Straße.

Die Preisträger freuten sich im Flensburger Kinoplex über die Urkunden: Lea Barrelet (Ehrung), Rasmus Greiner (2.), Patrick Grube (für Holger Köhler-Kaeß, 1.) sowie Meike Mohr und Lena Modrow (3.).

Werkstatt- und Publikumspreise

Der wesentlich spannendere Teil war für viele das sogenannte Werkstattprogramm von Freitagabend bis Sonntagmorgen auf dem Scheersberg. Fünf Streifen erhielten hier mit 100 Euro dotierte Förderpreise: Nils Strüvens (16) „Wenn die Nacht am tiefsten ist…“, der Trickfilm „Igor, der Igel“ von Sven Müller (20) und David Baumgarten (19), eine siebte Klasse der Meldorfer Gelehrtenschule (MGS) mit „Mahlzeit?!“, Felix Helfrich mit „Insane“ und „Dead End“ sowie der jetzige MGS-Abiturjahrgang mit der Komödie „Verklemmt“. Sie alle überzeugten durch filmisches Geschick und gutes Beherrschen der zumeist digitalen Schnitt-Technik.

Der Zehntklässler Felix Helfrich (16) und seine Crew freuten sich obendrein über den Publikumspreis für „Insane“. Obwohl der junge Buchautor, Regisseur, Kameramann und Cutter aus Epenwöhrden in Dithmarschen selbst sein jüngstes Sozialdrama „Dead End“ favorisiert hatte, gab er sich am Ende doch zufrieden: „Der Publikumspreis ist eine große Ehre.“ Der Publikumspreis wurde in diesem Jahr erstmals überreicht und gibt aktiven Faktor des Prämierens endlich ein Gesicht. (Jörg Jacobsen)

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