46. Nordische Filmtage Lübeck

Bittere Pillen auf Zuckerstückchen

„Zeit für Veränderungen“ (DK 2004, Lotte Svendsen)

Wie machen das die Dänen nur? Liest man die Inhaltsangabe zu diesem Film, so ist man eigentlich wenig geneigt, sich den angesprochenen Themen im Dunkel des Kinos auszusetzen. Das ist von „innerer Leere einer auf Oberflächlichkeit fixierten Wohlstandsgesellschaft“ die Rede, von einer „Gesellschaft, der das Mitgefühl abhanden gekommen ist“. Aber auch von „köstlichem Humor“ und „warmer Menschlichkeit“.

Und das nimmt man dänischen Filmen sofort ab. Der Saal ist voll, das Publikum amüsiert sich, obwohl es bittere Pillen zu schlucken gibt: Vereinsamung, Alkohol- und Drogensucht, gescheiterte Ehen und verkrachte politische Existenzen. Dass der Film unterhält, liegt sicher nicht daran, dass die dänische Gesellschaft unserer so unähnlich wäre, als dass man sich über exotische Kuriositäten amüsierte. Ganz im Gegenteil, die geschilderten Verhältnisse lassen sich gut übertragen.

Getragen von einem hervorragenden Ensemble, schildert „Zeit für Veränderungen“ die verkorksten Lebenssituationen von fünf Protagonisten, die auf der Suche nach dem persönlichen Glück irrwitzige Haken schlagen. Der erfolgreiche, aber alleinstehende Ingenieur Jens (Dan Zahle) verwickelt sich unversehens in Lügengeschichten, weil er seine attraktive Nachbarin mit seinem sozialen Engagement beeindrucken will. Damit Svend (Claus Ryskjær) den treusorgenden Cousin spielen kann, muss der beinamputierte und Methadonabhängige Schulfreund vorübergehend einziehen. Zum Vergnügen des Zuschauers entwickelt sich die Situation anders als von Svend geplant. Inge (Helle Dolleris) will ihr Selbstbewusstsein aufmöbeln und meldet sich zur Weltmeisterschaft im Pfahlsitzen, Svend arbeitet immer noch für die marxistische Internationale und organisiert Versammlungen, zu denen keiner kommt. Psychiater Erik (Waage Sandø) übertüncht den Verlust seiner Lebensideale mit Rotwein. Aber bitte schön im Keller, denn seine Frau hat Angst um die Polster ihres „Schöner Wohnen“-Zuhauses. Die Alkoholprobleme ihres Mannes werden überhaupt zweitrangig, als sich die Redaktion eines Lifestyle-Magazins ankündigt. Die noch fehlende Plastik für den Garten wird zur Obsession und lässt sie buchstäblich über Leichen gehen.

Lotte Svendsen versteht es, die bittere Medizin auf Zuckerstückchen zu servieren. Wenn die tragischen Helden auf ihrer Suche nach dem Liebesglück, Anerkennung oder Lebenssinn sich in immer unmöglichere Situationen bringen, darf man lachen. Aber nie werden die Figuren selbst der Lächerlichkeit preisgegeben, auch wenn ihr Handeln lächerlich ist. Ihre Verzweiflung macht sie menschlich, ihre Sehnsucht sympathisch. So freut man sich über den Silberstreif am Horizont, der für einige der Helden sichtbar wird. Und es schmerzt, die anderen scheitern zu sehen. Der Film findet hoffentlich einen deutschen Verleih. (dakro)

 

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