Premiere: „Polizeistation Engelsby“
Am 10.9., 20 Uhr findet im Kieler Kommunalen Kino in der Pumpe die Premiere von Fredo Wulfs Film „Polizeistation Engelsby“ (gefördert von der MSH und bei Kamera, Schnitt und Technik unterstützt von der Kulturellen Filmförderung S.-H.) statt. Roland Schmidt, Geschäftsführer der MSH, wird einführende Worte sprechen und der Innenminister Buß anwesend sein. An der anschließenden Diskussion wird auch der Protagonist Gert Nagel aus Flensburg teilnehmen.
Hier eine Vorab-Besprechung des Films von Gabriele Kotte, Leiterin der Kulturellen Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern:
„Die Polizei in Schleswig Holstein wagte ein Experiment: In einem Pilotprojekt in Flensburg wurden die großen Reviere aufgelöst und kleine Polizeistationen aufgebaut. Die Polizeibeamten arbeiten nun als soziale Ansprechpartner in den jeweiligen Vierteln und erproben so eine neue Polizeiarbeit.“ Mit diesem Insert eröffnet der Regisseur Fredo Wulf seinen scheinbar mit leichter Hand skizzierten Dokumentarfilm und beschreibt damit gleichzeitig Sujet und Zentrum des Films.
Bereits in der ersten Einstellung wird klar, dass hier nichts im Vorübereilen entstanden ist, sondern dass man Zeit und Mut hatte, nichts dem Zufall zu überlassen. Vielmehr entfächert und beobachten Regie und Kamera eine sehr vitale, mitunter urkomische, konfliktreiche, aber immer sehr menschliche Auseinandersetzung zwischen der Polizei neuen Zuschnitts und den ihnen anvertrauten Anwohnern, viele von ihnen Ausländer, vor allem Deutschrussen.
Und so kümmert sich Gert Nagel wie ein Stehaufmännchen vor allem immer wieder um die jüngsten Einwohner seines Kiezes. Ihnen will er auch die bereits vorhandene Angst vor der Polizei nehmen. Und man ahnt, dass manche überforderte Mutter zu Hause mit der bösen Polizei droht, und man erlebt, wie Mütter mit ihren Kindern kurzerhand zu Nagel kommen. Der Sozialvater wird’s schon richten. Und er tut es. Er müht sich um einen Freizeitclub für die Jugendlichen, von den Erwachsenen bereits als weiterer Unruheort ausgemacht und argwöhnisch beäugt. Er engagiert sich für das „Red Zone“, damit die Jugendlichen ihre Disco behalten können. Und da er andere und mehr Befugnisse als ein normaler Polizist hat, greift er auch ein in die tragische Geschichte einer jungen Mutter aus Russland. Sie wendet sich, sekundiert von Freundinnen, an den Polizisten Nagel, weil das Leben mit dem trinkenden, schlagenden Ehemann im fremden Deutschland unerträglich geworden ist. Und wir sehen, dass dieses Leben bereits tiefe Spuren in ihrem Gesicht, ihrer Haltung hinterlassen hat. „Ab heute werde ich mich um Sie kümmern“, verspricht Nagel – vielleicht eine Winzigkeit zu forsch und zu rasch – und weist den Ehegatten vorübergehend aus der Wohnung, will ihn sogar in seine Heimat zurückschicken. Er und andere gehen mit der scheuen Mutter und Ehefrau den Weg durch die Instanzen. Man ahnt, so weit wird die Mutter nicht gehen.
Der Film beobachtet und erzählt lebendig und spannend, doch angenehm unspektakulär und stringent den Versuch einer Reform und Sozialisation als Alltagsgeschichte einer polyphonen Lebensgemeinschaft, die sich auf Gedeih oder Verderb zusammenraufen muss.
„Polizeistation Engelsby“, ein Film von Fredo Wulf, Beta SP, 52 Min., Kamera: Michael Chauvistre, Schnitt: Margot Neubert-Maric