JazzBaltica 2004: L 14, 16

Perpetuum mobile des Hardbop

Das Gebläse kreist schwindelerregend durch die Lockenwickler, der Beat ist nervös hastig, die solistischen Staffelstäbe werden rekordverdächtig weitergereicht – das Mannheimer Quintett L 14, 16 (benannt nach den Straßenbezeichnungen in einem Mannheimer Viertel, die der in jazzy Manhattan ähnelt) hat alles drauf, was den Hardbop ausmacht. Doch keinen Traditionalismus betreiben Axel Schlosser (tp.), Steffen Weber (ts., ss.), Rainer Böhm (p.), Arne Huber (b.) und Lars Binder (dr.), vielmehr erzählen sie in all den Steilkurven freier Improvisation Geschichten.

„Lost in Fargau“ (ein Dorf nahe der Festival-Location Salzau) beispielsweise speist sich just aus der aktuellen Erfahrung der Musiker, dass das Kulturzentrum Salzau selbst mit GPS-gesteuerten Kraftfahrzeugen nicht eben leicht zu finden ist, wie Axel Schlosser in einer seiner launigen Anmoderationen berichtet, und steht umso querer im kraftvollen Strom des Quintetts geradewegs vom und zum Hardbop. Idyllisch schleichen die Bläser durch die Soundlandschaft, die Rhythmusgruppe liefert im Solo boppende Streicheleinheiten und das Stück perlt auf Rainer Bühms Tasten so aus, als verschwände es irgendwo hinter dem weiten holsteinischen Horizont.

Eine Hommage an das Festival, freilich, und doch auch an die weicheren Gangarten des Jazz. Die zeigen sich bei den rheinischen Frohnaturen durchaus noch ironischer wie in „Der Vogel“. Eine Miniatur von Rainer Böhm, ausgebrütet im Nest eines bierseligen Abends mit Arne Huber, wo sich die beiden selbstgemalte Piktogramme vorhielten und dazu spontan improvisierten. Entsprechend zwitschert die Trompete und der Bop gerät zum Balzverhalten.

Balzen für den Bop: L 14, 16 (Foto: SHMF)

Bei solchem gilt in der Natur wie beim Jazz das sich gegenseitig Hochschaukeln wie in „San Odyssee“, einem Filetstück mit „viel Fleisch für den Trompeter“ (Schlosser). In solchen Resonanzphänomenen entfalten L 14, 16 wahre Meisterschaft. Man steigert sich, steigert sich rein, die Steigerung zu immer wilderen Figuren wird zur Permanenz. Irgendwann wird das explodieren, befürchtet man. Doch wie bei einem Perpetuum mobile, wo die Unmöglichkeit permanenter Energieerzeugung in einen Energiekreislauf mündet, perpetuiert das Quintett den Hardbop mit immer neuen Facetten. In der Salzauer Konzertscheune erzeugt das trotz der avantgardistischen Unbedingtheit der Mannheimer fleißige Ovationen und einen ungemein kurzweiligen Festival-Samstagnachmittag. (jm)

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