8. Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide
„Kulturelle Filmarbeit tut diesem Land Not wie keinem anderen“
Interview mit Bernd-Günther Nahm über 15 Jahre Kulturelle Filmförderung Schleswig-Holstein anlässlich des 8. Filmfestes Schleswig Holstein Augenweide
Bernd-Günther Nahm ist seit Ende 1989 Leiter der Filmwerkstatt der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein und seit 2000 auch deren Geschäftsführer. Anlässlich des 8. Filmfestes Schleswig-Holstein Augenweide (14. bis 16. Mai 2004) sprachen wir mit ihm über 15 Jahre Arbeit für die Filmförderung.
Bernd-Günther, mit welchen Erwartungen hast du vor 15 Jahren deine Arbeit als Leiter der Filmwerkstatt der Kulturellen Filmförderung begonnen?
Vielleicht vorweg ganz kurz zu meinem persönlichen Hintergrund: Ich habe Naturwissenschaften in Kiel und Film in Nordrheinwestfalen studiert, bin dann für längere Zeit ins Ausland gegangen, nach Afrika, habe dort mit Film im Rahmen von Erwachsenenbildungsprojekten gearbeitet und bin dann in den 80er Jahren nach Deutschland zurückgekommen, um „frei“ für Fernsehproduktionen zu arbeiten. Ich war damals eher im Münchner und Kölner Raum tätig; in Schleswig-Holstein habe ich mit meiner Familie gewohnt, weil wir uns hier wohl gefühlt haben.
Ende der 80er Jahre gab es eine Initiative, die Kulturelle Filmförderung zu gründen, die erst einmal von anderen in Gang gesetzt worden war, um endlich auch eine Landesfilmförderung zu etablieren. Ich war damals in einem Fortbildungsprojekt Kommunale Kulturarbeit und bin dazu gestoßen. Ich fand die Initiative für mich spannend und reizvoll. Es mag jetzt arrogant klingen, ist aber gar nicht so gemeint: Es war für mich ein wenig die Fortsetzung von der Entwicklungshilfe, die ich in Afrika gemacht hatte. Das heißt, man stand da wirklich am Anfang. Es gab hier außer der Film-AG im Studentenwerk und Kurt Denzers Arbeiten in Haithabu und ein paar anderen, die Filme fürs Fernsehen machten, nicht viel. Es war alles nur sehr bescheiden entwickelt, um es mal so zu sagen.
Ich hatte keine Vorstellungen, wo das hinführen könnte. Die Kulturelle Filmförderung hatte einen Rahmenplan erarbeitet, der vorsah, dass es drei Jahre später eine jährliche Projektförderung im Volumen von 1 Mio. DM geben sollte. Das hat sich ganz schnell relativiert durch die deutsche Wiedervereinigung und die veränderten Landesetats danach, bei denen an solch eine Summe überhaupt nicht mehr zu denken war. Nach der Gründung und mit dem Aufbau der Kulturellen Filmförderung, der ja immer weiter vorangeschritten ist – man sieht, dass wir jedes Jahr immer noch mehr machen und besser werden -, hat es natürlich einen nicht endenden Kampf um die Finanzen gegeben, immer auch um die Form der finanziellen Absicherung, ums Überleben. Das hatte ich mir damals nicht so vorgestellt. Ich hatte schon gedacht, dass man gute Arbeit macht, dass diese gute Arbeit ihren Platz findet und man seine Energien auf die inhaltliche und unterstützende Arbeit wirft und nicht, dass man die Hälfte seiner Arbeitszeit darum kämpfen muss, dass man diese Arbeit machen kann, die ja alle für wichtig halten.
Wie viel Geld gab es zu Beginn für die erste Projektförderung?
1989 gab es ja nur eine Sitzung. Es wurden unter 200.000 DM Projektmittel bewilligt. Danach wurde die Förderungssumme erhöht – aber nicht im ursprünglich erwarteten Rahmen. Und wenn wir nicht Glück und die Einsicht bei der ULR (Landesmedienanstalt) gehabt hätten, dass unsere Arbeit wichtig und damit unterstützenswert ist, und die ULR nicht auch mit Projektmitteln eingestiegen wäre, dann wäre es sicherlich sehr viel schwerer gewesen, diesen Erfolg zu haben und im Lande nachhaltig für den Film etwas zu bewirken.
Damals, als die Kulturelle Filmförderung aus der Taufe gehoben wurde, stand man ja technisch gesehen genau im Umbruch von 16mm zu mehr Video.
Ja, ich kann mich noch gut an die ersten Diskussionen mit dem Vorstand erinnern, als es darum ging, die Filmwerkstatt auszustatten: Video wurde eher skeptisch begutachtet. Es hieß, als erstes müsse 16mm-Film-Equipment her. Und das haben wir dann auch gemacht. Wir haben vom NDR eine gebrauchte 16mm-Kamera gekauft, einen gebrauchten 16mm-Schneidetisch und andere Sachen, also unsere Filmwerkstatt mit 16mm-Filmproduktionsgeräten ausgestattet. Dann haben wir aber ziemlich schnell gemerkt, dass für so ein kleines „Nicht-Produktionsland“ doch die Kosten davonlaufen, gerade auch im Bereich der Nachwuchsförderung. So haben wir schließlich auch Geräte für U-matic Highband SP, den damaligen Fernsehstandard, angeschafft. Ich erinnere noch gut, dass Lars Büchel in der Zeit auf Amrum seinen ersten Film, „Triumph des Spiels“, als von uns gefördertes Projekt, auf U-matic gedreht und dann in Kiel geschnitten hat.
Und dann habt ihr ja auch noch eine Arri-Filmkamera für Super16mm angeschafft, von der etliche Filmer profitiert haben.
Ja, das war allerdings schon ein paar Jahre später. In den 90er Jahren wurde von Lübeck aus der Fördertopf verwaltet; wir haben uns hier in Kiel ganz stark auf die Produktion, d.h. Projektentwicklung, Produktionsbetreuung und -beratung, konzentriert. Wir haben, wie gesagt, mit Video und 16mm-Film gearbeitet. Aber es gab natürlich Projekte, die avancierter, anspruchsvoller, auch größer angelegt waren. Die 16mm-Kamera, die übrigens immer noch im Betrieb ist (damit wird im Moment gerade ein Projekt in Berlin realisiert) war diesen Anforderungen einfach nicht mehr gewachsen. Es sollte ja am liebsten vieles auf 35mm gedreht werden. Eine Ausrüstung für 35mm anzuschaffen war aber zu teuer, da war Super16 der Mittelweg. Und damit sind wir auch bis heute sehr erfolgreich. Als 1994 die MSH-Förderung gegründet wurde, haben wir von der Mediengesellschaft für den Ausbildungsbereich eine Förderung erhalten, mit der wir zum größten Teil diese Super16mm-Film-Ausrüstung finanziert haben.
Nun gab es ja bei der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein im ersten Jahrzehnt dieses, ich nenne es mal, „Zwei-Zentren-Modell“: Kiel mit der Filmwerkstatt und Lübeck mit dem Filmbüro. Das ist ja damals u.a. so eingerichtet worden, weil es zwei Zentren von Interessensvertretungen gab und immer noch gibt.
Lübeck, das ist unstrittig, ist eher immer die Festivalstadt gewesen. Über die Nordischen Filmtage hat sie sich ja filmisch ein ganz besonderes Profil gegeben. Aber Lübeck ist nie so der Produktionsschwerpunkt im Lande gewesen wie Kiel. Es gab dort einige Filmemacher, aber die Produktionsszene hat sich dort nie so entwickelt. Die Leute sind zum Studium von Lübeck nach Hamburg gegangen und haben dann ihre Projekte eher in Hamburg realisiert, während sich hier in Kiel – und das hängt sicher auch dem mit dem NDR, der Universität und Kiels zentraler Lage zusammen – wirklich eine Produktionsszene auch nachhaltig entwickelt hat. Da ist erstaunlich viel daraus gewachsen, was über die Jahre Bestand und sich auch im freien Markt bewährt hat.
Was hat denn letztlich den Ausschlag dafür gegeben, die Fördereinrichtung in Kiel zu konzentrieren, die Aufgaben des Lübecker Filmbüros praktisch hierher zu ziehen?
Die Personal- und Betriebskosten sind in den Jahren angestiegen und der Filmförderung bei stagnierenden Zuschüssen über den Kopf gewachsen. Zu Anfang wurden wir nur aus Projektfördermitteln unterstützt. Die institutionelle Förderung wurde erst in den 90er Jahren eingerichtet, konnte dann aber auch nicht im dem notwendigen Maß erweitert werden, um dem wachsenden Bedarf an Förderung und Betreuung gerecht zu werden. Das Modell der Gründungsphase hätte sich absehbar eines Tages nicht mehr in dieser Form finanzieren lassen. Es ist eben teurer, wenn du diese Arbeit an zwei verschiedenen Orten betreibst. Dazu kommt, dass die Landespolitik hier in Kiel sitzt. Für diesen landesweit tätigen Verein und seine Ziele muss man Lobby-Arbeit machen, muss seine Interessen offensiv gegenüber der Politik vertreten. Das muss vor Ort geschehen und kann nicht so gut aus der Ferne gemacht werden. Der folgende Prozess der Umstrukturierung war damals für die direkt Beteiligten sehr schwierig. Er hat sich aber eindeutig als richtig erwiesen.
Wie gliedern sich denn heute die einzelnen Bereiche in eurer finanziellen Ausstattung und damit auch in der Arbeit der Kulturellen Filmförderung?
Wir haben, wenn man auf den Output schaut, vier Bereiche: zum einen die institutionellen Tätigkeiten für die Förderung, d.h. die Verwaltung der Fördermittel vom Land und von der ULR. Der zweite Bereich kann mit dem Begriff „Filmwerkstatt“ beschrieben werden. Er umfasst die ganze produktionsbezogene Arbeit, die Beistellung von Technik mit viel personalintensiver Beratung und Betreuung sowie das regionale und überregionale Netzwerk von privatwirtschaftlichen „Helfern“, das wir aufgebaut haben und das Vorteile für die einzelnen Produktionen bewirkt. Zum Dritten gibt es die projektbezogenen Geldmittel, die auf Antrag zweimal im Jahr durch ein unabhängiges Gremium vergeben werden. Diese Projektfördermittel sind allerdings in den letzten Jahren von Kürzungen betroffen gewesen; da sind dann schon bedeutende Summen weggebrochen. Der vierte Bereich betrifft die Fortbildung, Seminare und Werkstattgespräche. Hier werben wir immer wieder Drittmittel für die Arbeit ein; zur Zeit führen wir mit der Uni Kiel, der Fachhochschule Kiel und der süddänischen Universität Odense die 2-jährige Fortbildung „FilmTrain“ für Dokumentarfilmschaffende durch, die im wesentlichen von der EU gefördert wurde.
„Wir befördern Inhalte“ – die hauptamtlichen MitarbeiterInnen der Kulturellen Filmförderung S.-H. (im Foto von rechts nach links): Bernd-Günther Nahm (Geschäftsführer), Lorenz Müller (Referent für AV-Medien), Claudia Schmidt (Projektverwaltung)
Wie steckt man denn finanzielle Kürzungen weg, wenn man sie überhaupt wegstecken kann?
Ja, man macht, was man schon immer gemacht hat: sich weiter vernetzen, kooperieren und unbezahlte Überstunden anhäufen. Meinen Kollegen Lorenz Müller und Claudia Schmidt gebührt in diesem Zusammenhang große Anerkennung für ihren Einsatz. Ganz praktisch heißt das, dass wir viele Leistungen, die nicht berechnet werden, über Netzwerke, über Kontakte dazubekommen. Getreu dem Motto der Berliner Kollegen „Wir bieten mehr als Geld“. Firmen wie z.B. AVT Plus in Kiel, Cinegate in Hamburg, Studio Hamburg unterstützen uns nicht unerheblich. Manchmal sind es Kleinigkeiten, manchmal aber auch wirklich größere Beistellungen. Das heißt für die Projekte: Der Anteil an Eigenleistungen und Drittmitteln über Sponsoring hat sich erhöht. Die tatsächlichen Zuschüsse der Förderung sind dagegen geringer geworden.
Hinzu kommt der Förderverbund, den wir sehr gepflegt und entwickelt haben, mit den Kulturellen Filmförderungen in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen. Als es das Filmbüro Nordrhein-Westfalen noch gab, gehörte es auch mit dazu. Dieser Förderverbund hat viel ermöglicht. Allerdings mit dem Resultat, dass Projekte, die früher mit den Fördermitteln des Landes, Eigenleistungen und Rückstellungen umgesetzt werden konnten, heute weiter auf Suche gehen und sich somit auch einem stärkeren Wettbewerb stellen müssen. Das finde ich a priori gar nicht schlecht, weil es natürlich wichtig ist bei einer kleinen regionalen Szene, über den Tellerrand dieser Szene hinaus zu schauen und seine Arbeiten im Kontext von anderen Arbeiten zu bewerten. Wir haben auf zusätzlich in den letzten drei Jahren sechs Projekte zusammen mit der Hamburger Filmförderung gefördert, was es früher so auch nicht gab. Der Gefahr, hier am Rande der Republik abgekoppelt zu werden, von der Region in die Provinz zu rutschen, muss dessen ungeachtet immer wieder begegnet werden.
Die Förderarbeit verändert hat auch, dass wir im Laufe der Jahre unseren Produktionsbereich für kulturelle Projekte im Hause weiter ausgebaut haben. Wir waren die ersten in Schleswig-Holstein, die umfangreiche digitale Aufnahmeeinheiten und Schnittplätze hatten. Wir können so für den Kurzspiel-, Animations- und Dokumentarfilm schon einiges bieten, eben Produktionsmittel, an die man über uns günstiger herankommt. Es war auf diesem Wege möglich, die kulturelle Filmarbeit im Lande, trotz finanzieller Einbußen, weiter zu fördern. Auch haben sich die Produktionsbedingungen geändert. Das weißt du selbst aus eigener Erfahrung, das teure Produzieren mit 16mm für den Dokumentarfilm wird heute weitgehend durch die Arbeit mit digitalem Equipment ersetzt. Und durch unsere digitale Postproduktion im eigenen Haus lässt sich ebenso viel machen. Da haben wir im Laufe der Zeit sicher auch immer mehr beigestellt, einfach aus dem Wunsch heraus, dass ein gutes Projekt auch als gutes Projekt fertig werden soll und dann seinen Weg zum Publikum findet.
Aber man muss sich auch eingestehen, dass es natürlich mit weniger Geld schlechter geht; das ist eindeutig. Wenn wir Fördersitzung haben, und das Gremium dann zwei Tage darüber berät, wer welches Geld bekommt, dann gibt es immer wieder gute Projekte, die der Entwicklung hier im Lande, dem Land selbst und der öffentlichen Wahrnehmung gut tun würden und trotzdem auf der Strecke bleiben. Den Produktionen bleibt dann nur das Hoffen, eine andere Finanzierung zu finden. Diese Chancen bieten sich aber leider immer weniger.
Wenn man ein Resümee über 15 Jahre zieht, muss ich natürlich eines besonders hervorheben. Die ganze Filmförderung hat nur funktioniert, weil es viele Menschen gab, die diesen Gedanken der Filmförderung, hier im Lande etwas tatkräftig anzupacken, auch mitgetragen haben, wie z.B. die wechselnden Vorstände bei der Kulturellen Filmförderung mit den verschiedenen Vorsitzenden. Adolf Bollmann war Gründungsvorsitzender und sitzt jetzt wieder im Vorstand. Besonders zu erwähnen sind auch unsere Kinofrauen, Linde Fröhlich und Gesa Rautenberg, die im Vorstand und im Vorsitz des Vereins waren und vieles mitbewegt haben.
In dem Modell Filmwerkstatt, das ein besonderes und einmaliges Modell ist, gibt es viele Leute, die ganz nah dran sind, in einem besonderen Verhältnis zur Werkstatt stehen und diese mit tragen. Ohne die KollegInnen, die ich hier namentlich nicht aufzählen kann, hätte sich die Produktionslandschaft in Schleswig-Holstein nicht so entwickelt.
Wie viele Filme sind denn in den letzten 15 Jahren von euch gefördert worden?
242 Projekte sind bis Ende 2003 gefördert worden. Da sind aber auch Vertriebsförderungen und Projektentwicklung mit enthalten. An Produktionsförderungen gab es ca. 180 Projekte über 15 Jahre, und wir haben noch einmal im gleichen Umfang Filme mit Beistellungen durch die Filmwerkstatt gefördert und realisiert.
1994 ist als Fördereinrichtung im Lande die MSH (als wirtschaftliche Förderung) hinzugekommen. Wie gestaltet sich denn die Zusammenarbeit mit der MSH?
Es wird ja in Schleswig-Holstein mit drei Einrichtungen zielgerichtet gefördert, die miteinander gut kooperieren. So betreibt z.B. die LAG Jugend und Film die „Filmtournee Unterwegs“ mit der Kulturellen Filmförderung zusammen. Wir wiederum haben den Newsletter infomedia-sh.de/aktuell eingerichtet, den die MSH mitträgt. Es gibt außerdem immer Projekte, die sowohl von der
ulturellen Filmförderung als auch von der MSH gefördert werden. Die MSH in Lübeck hat aber eine andere Zielsetzung als die Kulturelle Filmförderung; sie hat ja die Fernsehanbindung als Prämisse, ist somit eine Wirtschafts- und TV-Förderung. Von daher werden andere Projekte gefördert. Aber es gibt, wie gesagt, immer Projekte, bei denen beide Förderungen greifen.
Die MSH hat keine Produktionswerkstätten.
Richtig, hat sie nicht. Auch der ganze Bereich Vertrieb und Präsentation, den wir für ganz wichtig halten, wird entsprechend der Fernsehanbindung nicht gefördert. Dafür hat sie allerdings eine Drehbuchförderung, die wir mit unseren Mitteln nicht leisten können und makelt den Drehort Schleswig-Holstein mit der Film Commission. Wir begreifen uns wiederum als Mittler zwischen fertigem Film und Publikum und pflegen diese Schnittstelle mit dem Filmfest Augenweide, das wir vor 11 Jahren ins Leben gerufen und stetig erweitert haben. Inzwischen ist aus der Zusammenarbeit mit dem Kommunalen Kino in der Pumpe in Kiel ein guter Ort für den kreativen Film entstanden, der die ganze Breite wichtiger, kultureller Filmarbeit sichtbar und erlebbar macht.
Wie beurteilst Du denn die Entwicklung von „Augenweide“ nach dem 8. Festival?
„Augenweide“ ist ein Indikator dafür (besonders in den letzten zwei Jahren), und im ähnlichen Maße das Filmforum Schleswig-Holstein bei den Nordischen Filmtagen, dass die Entwicklung sehr positiv vorangeht. Wenn ich mich jetzt speziell auf „Augenweide“ beziehe und sehe, was dort eingereicht wurde und was dort gelaufen ist, dann ist schon ein deutliches Ansteigen des Produktionsvolumens und der Qualität festzustellen, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Und du kannst dort ganz viele finden, die hier im Lande jung angefangen haben. So gesehen ist das ein Zeichen, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind. Letztes Jahr wurden für Augenweide sieben lange Dokumentarfilme von hohem Niveau eingereicht, die hier gefördert worden waren, die hier produziert worden sind, die aus dem Förderverbund mit anderen Bundesländern entstanden sind. Und auch in diesem Jahr war die Qualität der eingereichten Filme wieder überzeugend.
Viele der hiesigen jungen Filmer sind nicht im Lande geblieben. Schleswig-Holstein ist ja kein klassisches Filmland. Es ist die alte Geschichte: Viele fangen hier im Lande an und gehen dann wo anders hin, an Filmhochschulen und bleiben dann später auch außerhalb Schleswig-Holsteins. Ist ein Großteil der Unterstützung der Kulturellen Filmförderung Starthilfe?
Ein Großteil ist, wenn man so will, natürlich Nachwuchsförderung für die jungen Leute, die zumindest für die Lehr- und Wanderjahre weggehen. Die anderen im Lande, die dabeibleiben, müssen sich zumeist noch ein zweites Standbein suchen. Denn die Filmförderung und besonders so eine relativ kleine wie in Schleswig-Holstein ist nicht der einzige Weg für Filmemacher sich zu alimentieren; da müssen schon andere Quellen angezapft werden. Die, die weggehen, halten aber oft noch Verbindungen zu uns, indem sie Themen hier im Land bearbeiten oder z.T. nach ein paar Jahren wieder zurückkommen. Ich halte die Situation nicht für problematisch, es gibt immer einen Austausch. Unmöglich, dass wir sagen würden, es dürfen nur die gefördert werden, die hier bleiben – nein, das kann es ja nicht sein. Und wenn man Filmschaffende wie Lars Büchel, Lars Jessen, Antje Hubert, Till Franzen, Miguel Alexandre oder viele andere sieht, dann ist es immer ein Geben und Nehmen. Lars Büchel lebt immer noch hier im Lande. Natürlich haben seine Filme inzwischen ein Produktionsvolumen erreicht, das nur zum kleinen Teil im Lande generiert und ausgegeben wird. Aber seine Entwicklung, seine Partnerschaft zu Max Berghaus, der mit zwei Kollegen zusammen den Deutschen Filmpreis in Gold 2004 (Filmmusik) bekommt, ist hier gewachsen und geprägt worden. Und wenn Antje Hubert den Förderpreis des Landeskunstpreises im Herbst erhält, wird primär ihre filmische Arbeit gewürdigt, aber sicher auch die Filmarbeit im Lande grundsätzlich. Auch alle frühen Arbeiten des diesjährigen Gewinners des Wettbewerbs der Internationalen Filmfestspiele Berlin, Fatih Akin, sind auf Basis dieser Nachwuchsförderung von Kiel aus unterstützt worden, was ja für unsere Förderung spricht. Nicht zuletzt muss erwähnt werden, dass Filmschaffende eben auch ihren Weg hierher nehmen oder zurückkommen wie z.B. Christoph Corves oder Bernd Fiedler.
Wie siehst Du die weitere Entwicklung der Filmarbeit in Schleswig-Holstein?
Mir ist es wichtig, dass die Arbeit der Kulturellen Filmförderung fortgeführt werden kann, dass man die Kulturelle Filmförderung als notwendige filmische, kulturelle Basisarbeit versteht und weiter betreibt, weil sonst im Grunde genommen die ganze bisherige Arbeit zunichte gemacht würde. Denn nur von solch einer Basis aus kann etwas wachsen. Lars Büchel konnte zu dem werden, was er ist, weil er hier seine entscheidenden Schritte und Erfahrungen gemacht hat. Miguel Alexandre konnte seine Leidenschaft für den Film hier im Lande durch kleine Produktionen testen, mit denen er sich entwickeln konnte, um dann ein Filmstudium anzufangen. Diesen filmkulturellen Humus überhaupt vorzuhalten, aufzubereiten, und über die Jahre hinweg wieder weiter zu entwickeln und zu verändern, ist die Leistung, die wir mit der Kulturellen Filmförderung gebracht haben und die diesem Land weiterhin Not tut wie keinem anderen. Getreu unserem Motto: „Wir befördern Inhalte“.
(Interview: Helmut Schulzeck)