8. Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide
Wortlos kauzige Friseure
Barbeiros (Mervi Junkkonen, FIN 2001)
Sie sind schon ein seltsames Paar, die beiden. José de Sousa ist unglaubliche 86 Jahre alt und seit seiner Kindheit im Geschäft. Sein Mitarbeiter Armando de Oliviera hat den Zenit seiner Jugend auch schon einige Jahrzehnte hinter sich. Sie sind Barbiere und Hüter eines kleinen Tempels der männlichen Körperkultur, irgendwo in Portugal, wo man zur Rasur Respekt einflößende Instrumente benutzt und David Beckham mit seinen exaltierten Frisurwünschen keine Chance hätte. Der Film gönnt sich nur zwölf Minuten Zeit, um einen Arbeitstag der greisen Friseure zu zeigen, und obwohl kein einziges Wort fällt, glaubt man am Ende, den Menschen unter den weißen Kitteln etwas näher gekommen zu sein. So entsteht ein wortloses, subtiles Portrait zweier Herren, die in jahrzehntelanger Routine gelernt haben, ihre Macken gegenseitig zu ertragen.
José de Sousa, schmallippig und hohlwangig, lässt in kerzengerader Haltung mit elegant gespreiztem Finger seine Schere leise klappern, während Armando de Oliviera sich als erste Pflicht des Tages den Sportteil vornimmt, die Kippe lässig im Mundwinkel. Noch bevor er im Bild erscheint, hört man, wie er das quäkende Radio einschaltet, worauf dem älteren José die unterdrückte Andeutung eines genervten Seufzers entfährt. Die Musik wird nun nicht mehr verstummen, und als beide dann gleichzeitig einen Kunden auf dem Stuhl haben, übernimmt der Film die Rumba-Rhythmen auf die Tonspur und verwandelt die Arbeit der beiden Kollegen in ein schwungvolles Duett, das möglicherweise auch ein stummes Duell ist. Wenn die Kamera wiederholt den Blick in die stumpfen, fleckigen Wandspiegel sucht, gewinnt man den Eindruck durch ein Fenster in eine vergangene Zeit zu blicken, und in dem winzigen Salon finden sich immer wieder kleine Stillleben aus Arbeitsgeräten, die die Atmosphäre eines lebendigen Museums unterstreichen. Interessant ist die Frage, wie es der Filmemacherin Mervi Junkkonen von der Hochschule für Kunst und Design in Helsinki gelungen ist, sich so frei und unaufdringlich in dieser kleinen, engen Männerwelt zu bewegen.
Vielleicht war die junge, finnische Frau mit der Kamera einfach zu exotisch, um als Störenfried zu gelten im Haus der alten, portugiesischen Männer mit der Schere. (Lorenz Müller)
Kamera, Buch, Regie: Mervi Junkkonen, Hochschule für Kunst und Design, Helsinki, 12 Min., Video, 2001