8. Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide

Liebe rückwärts

Nie solo sein (Jan Schomburg, D 2003)

Damit die Liebe auf fruchtbaren Boden fallen kann, müssen Zeit und Ort stimmen. Dass es mit der Zeit ein Problem gibt in Jan Schomburgs kurzem Liebesfilm „Nie solo sein“, wird gleich in der ersten Einstellung deutlich: Am Zehnmeterturm springen zwei Menschen gleichzeitig ab, aber einer springt hinab und der andere hinauf.

In Form einer Filmspule lässt sich das Rad der Zeit beliebig beschleunigen, verlangsamen oder eben auch zurückdrehen. Die Idee ist nicht neu, schon Leni Riefenstahl spielte in ihrem Olympiafilm mit der Laufrichtung des Films, um ihren Turmspringern eine scheinbar schwerelose Dynamik zu verleihen. Auch René Perraudins Episodenfilm „In Sachen Otto Spalt“ von 1988 erzählt die Geschichte eines menschlichen Aliens, der „andersrum“ ist, aber Jan Schomburg kann dem Thema dennoch einige orginelle Aspekte abgewinnen.

Max wacht auf und stellt fest, dass alle Menschen um ihn herum ihr Leben rückwärts führen. Er aber ist ein Kind seiner Zeit und sein Leib ist ein Sklave seiner eigenen Zeitrichtung. Wir als Zuschauer sind auf seiner Linie und dürfen ihn in seinen Nöten begleiten. Denn wo um ihn herum die Menschen beim Essen frische Bratwürste und kühle Limonade hervorbringen, verspürt er ein unerhörtes Gefühl: Durst.

Die Liebe jedoch öffnet einer jungen Dame die Augen für sein Problem, und in einer romantischen Symbiose spendet sie ihm, wonach er begehrt. Ein Kuss ist letztlich auch nur ein symbolisches Fütterungsritual, und Jan Schomburg erspart dem Zuschauer die hässliche Konsequenz, dass in seiner Rückwärtswelt, wo die Fabrikschlote den Qualm aus der Luft saugen, die menschliche Nahrungskette eigentlich im Klärbecken beginnen müsste.

Der Film entstand mit Förderung durch die Kulturelle Filmförderung S.-H. (Lorenz Müller)

Buch, Regie: Jan Schomburg, 2003, 9 Min., Super 16/Betacam SP

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