Von der Karteikarte zur virtuellen Kulturlandschaft
Mit dem Projekt DigiCult präsentieren schleswig-holsteinische Museen ihre Sammlungen im Internet
Die Karteikarten, die Prof. Dr. Ulrich Schulte-Wülwer, Leiter des Museumsbergs Flensburg, präsentiert, tragen die Eselsohren von weit über hundert Jahren. Dennoch verwaltet noch so manches Museum seine Bestände auf eben solchen „Datenträgern wie aus der Steinzeit“. Das digitale Zeitalter ist noch kaum in den musealen Hallen angekommen, doch jetzt macht man in Schleswig-Holstein mit dem Pilotprojekt DigiCult einen gewaltigen Schritt nach vorn.
Finanziert je zur Hälfte aus EU- und eigenen Mitteln (Investionsvolumen für die dreijährige Pilotphase zwei Millionen Euro) will DigiCult das kulturelle Erbe des Landes digital sichern und im Netz der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Seit Mai 2003 haben elf Museen, darunter die Kieler Kunsthalle, die Computerschausammlung der FH Kiel, das Geologisch-Mineralogische Museum der CAU, aber auch so kleine Sammlungen wie das Künstlermuseum Heikendorf Teile ihrer Bestände digitalisiert und in eine Datenbank eingespeist, die über das Museumsportal www.museen-sh.de frei zugänglich ist. Über 1.500 Exponate sind bereits erfasst, bis zum Ende des Projekts Ende April 2006 haben die Projektpartner Uni Kiel, FH Kiel, Kulturnetz/Bildungsnetz, Museumsverband, Datenzentrale und die Tourismusagentur S.-H. sich die ehrgeizige Marke von 10.000 gesetzt. Das ist zwar nur „die Spitze des Eisbergs“ der umfänglichen Sammlungen vom Naturkunde- bis zum Kunstmuseum, aber, so Schulte-Wülwer: „Wer nicht beizeiten beginnt, wird es nicht mehr schaffen.“
Architekt des Projekts ist Lütger Landwehr, Pädagoge am Institut für Geowissenschaften der CAU. „Wir mussten bei Null anfangen“, berichtet er von der nicht eben leichten Aufgabe, Museumsbestände digital zu katalogisieren. Erst wenige Museen wie etwa der Louvre stellen ihren Bestand ins Netz. Probleme bereiten nicht nur die ungeheuren Datenbestände, sondern auch urheberrechtliche Fragen. Zur Zeit befindet sich das Projekt mit der VG Bild-Kunst in Verhandlungen über die Abbildungsrechte zeitgenössischer Kunstwerke.
Der Nutzen ist indes schon jetzt immens. So können etwa Ausstellungsplaner differenziert recherchieren, welche Exponate verstreut im Lande für ihre Ausstellung geeignet sind, eine Vernetzung der über 260 Museen in Schleswig-Holstein, die bisher fehlte. Weiter erwartet DigiCult die Erschließung neuer Nutzerschaften vor allem unter Jugendlichen, die sich über das ihnen geläufige Medium Internet wieder für das gute alte Museum interessieren. Über einen „Leuchtkasten“ kann sich zudem jeder Nutzer seine ganz persönliche virtuelle Ausstellung zusammenstellen.
Mit DigiCult treten die klassischen Aufgaben eines Museums, Sammeln, Bewahren, Forschen und Ausstellen, in eine neue Phase und Schleswig-Holstein mischt dabei an vorderster Front des EU-weiten Projekts mit. Dabei werden auch bisher weitgehend unzugängliche Sammlungen wie die Theatergeschichtliche Sammlung der CAU erstmals öffentlich. Während noch ein recht kleines Team die Museen bei ihrer Digitalisierungsarbeit anleitet und unterstützt, wird schon an Projekterweiterungen gearbeitet. Der Museumsberg in Flensburg ist im Museumsportal mit einem Museumsshop vertreten, in dem man zum Beispiel Kataloge online bestellen kann. Die Kunsthalle Kiel will demnächst in den von dem Eckernförder Galeristen Norbert Weber designten Museumsshop einsteigen. Auch für die Tourismusindustrie des Landes sehen die Projektbetreiber ein großes Potenzial, denn die Museen würden mit DigiCult „Teil der virtuellen Kulturlandschaft Schleswig-Holstein“. (jm)
Infos unter www.museen-sh.de und www.digicult-sh.de.