Bewegte Bilder in Bewegung
„Umtrieb“ zeigt Kurzfilme aus dem „Kinoauto“
Das „Kinoauto“, ein Anhänger vollgepackt mit modernster digitaler Kino-Elektronik, hält zur Sonnabendmitternacht vor dem Luna in der Kieler Bergstraße. Nur wenige Minuten brauchen Ulrich Horstmann, Veranstalter der Kieler Kunstaktion „Umtrieb“, und die Hamburger Filmemacherin Josephin Böttger, dann heißt es: „Anhängerklappe auf und Film ab!“ Zwei Beamer projizieren Loops und ein von der Hamburger Kurzfilmagentur entliehenes Kurzfilmprogramm auf eine Leinwand vor dem Luna und die gegenüberliegende Häuserfassade des „Kunstraums B“. Das Discovölkchen bleibt interessiert stehen, schaut zu und fragt nach …
Um zum Beispiel zu erfahren, dass Ulrich Horstmann für dieses Projekt, das zunächst bis Juni hauptsächlich in den Kieler Stadtteilen Gaarden und Mettenhof ein bis zweimal monatlich laufen wird, EU-Mittel aus dem LOS-Projekt (Lokales Kapital für soziale Zwecke) locker gemacht hat. Denn das Kinoauto ist nicht nur ein mobiles Kurzfilm-Kino, es bezieht die Zuschauer ein. „Die Kids aus den ‚Problemstadtteilen‘ haben Strukturen aus den Medien in ihr Verhalten übernommen“, weiß Horstmann. Jetzt will er „die Blickrichtung umdrehen“. Das jugendliche Publikum soll sich von den Kurzfilmen zu eigenem filmischen Ausdruck anregen lassen. Dazu haben Horstmann und Böttger sowie einige junge Leute, die sich nach der Premiere im Januar an dem Projekt beteiligten, stets eine Kamera dabei, mit der sie „nach den Regieanweisungen aus dem Publikum“ spontane Kurzfilme drehen – und sogleich projizieren. Filmkultur soll so „nicht nur angenommen“, sondern „als Ausdrucksmöglichkeit einer eigenen Kultur“ für die Jugendlichen greif- und machbar werden. Horstmanns Fernziel: „Die Kids kaufen sich auf dem Flohmarkt eine alte Super-8- oder VHS-Kamera und drehen selber, was sie bewegt.“
Dafür gibt es nur wenige Regeln: Längstens drei Minuten und bloßer Kameraschnitt. Das Material kommt aus der Kamera direkt auf den Beamer. Für Horstmann ist das eine „Form der politischen Bildung“, denn das „Online“-Medium aus dem „Medientransporter“ sei perfekt geeignet für die öffentliche Verhandlung der jugendlichen Angelegenheiten, also politisch.
So wird auch die Eröffnungsveranstaltung des Kulturrauschs in der Bergstraße fast live leinwandöffentlich, gefilmt von Horstmanns Kamera und gemixt mit Loops des Hamburger Filmemachers Johannes Matern. Auf der anderen Leinwand laufen die Kurzfilme, etwa der amüsante Zeichentrick „Au Bout du Monde“ von Konstantin Bronzit oder filmhistorisch Aufrührendes wie Jorge Furtados „Insel der Blumen“. Das Passantenpublikum gerät in echte Bewegung: Es bleibt stehen, schaut zu und will mehr wissen – vielleicht auch bald selber bewegte Bilder mitbewegen. (jm)
Das Umtrieb-Kinoauto ist wieder unterwegs in der Kulturrausch-„Nacht der Clubs“ am 27. März.