54. Internationale Filmfestspiele Berlin
Ramones revisited
End of the Century – The Story of the Ramones (Jim Fields, Michael Gramaglia, USA 2003)
1-2-3-4! “End of the Century” erzählt die Geschichte der Ramones, der wegweisenden New Yorker Punkband, von ihrer Gründung Mitte der 70er in Queens bis zu ihrer Auflösung knapp 20 Jahre später. Durch ihre frühen Auftritte im später legendären Club CBGBs wurden Dee Dee, Joey, Johnny und Tommy Ramone zu den neuen Helden der New Yorker Underground Szene. Die Ramones waren schon nach wenigen Auftritten berüchtigt für ihren 3-Akkorde-Maschinengewehr-Rock’n’Roll, schwarze Lederjacken und einen infernalisch schnellen Live-Set. Drei-Minuten Pop-Punk-Songs wie “Judy is a Punk”, “Blitzkrieg Bop” und “Gimme Gimme Shock Treatment” detonierten wie musikalische Bomben in den friedlichen Middle-Class-Haushalten der amerikanischen Partridge Families. Ihre Konzerte waren für dutzende amerikanische Punk-Bands die Initialzündung.
Die Idee für “End of the Century” entwickelten Michael Gramaglia und Jim Fields während der 96er Good-Bye-Tour der Ramones. Ursprünglich sollte nur das definitiv letzte Konzert der Band dokumentiert werden. Das eigentliche Projekt einer Band-Biografie entwickelte sich erst Jahre später und kam nach Joeys Krebstod Ende 1999 in Fahrt. Gramaglia und Fields belassen es in ihrem Regiedebut nicht dabei, biografische Daten und Anekdoten über Sex, Drugs & Rock’n’Roll aneinander zu reihen. In den für diesen Film schmerzhaft-direkt geführten Interviews mit Dee Dee, Johnny und Tommy Ramone ergründen die Regisseure mit ehrlichem Interesse ihre Protagonisten. Es entstehen Psychogramme der einzelnen Bandmitglieder und die wechselnden Spannungen im Bandgefüge werden deutlich.
Die Musik der Ramones kommt dabei nicht zu kurz, die Kenner werden sich über einige seltene low-fi Tapes aus den Anfangstagen der Band gefreut haben. Erstaunlich auch, wie Gramaglia und Fields aus dem spärlichen visuellen Material der 70er einen vollen Bilderbogen montieren.
En passant beschreiben die Regisseure die Mechanismen des Musikgeschäfts und weisen den Ramones ihren Platz in der Geschichte der Popmusik zu. Zu ihren ersten Konzerte in England 1976 kamen die späteren Mitglieder der englischen Punk-Bands Clash und Sex Pistols. Joe Strummer (Clash) bestätigt in einem seiner letzten Interviews den Einfluss der Ramones auf seine und andere Bands. Die Message wurde verstanden: Get out and play! Im eigenen Land haben die Propheten des Punk immer in Clubs und kleinen Hallen spielen müssen, berühmt, aber nicht erfolgreich. Der erfolglose Versuch mit Hilfe von Phil Spector, dem Hit-Produzenten, endlich einen solchen zu landen, hat sie nicht kompromittiert. Die Ramones blieben zeitlebens die Underground Heroes, ihre Musik direkt, hart, schnell. “End of the Century” kann das glaubhaft vermitteln, denn er zeigt widersprüchliche, authentische Menschen, die eine leidenschaftliche Liebe für die Ramones zusammenhielt und auseinander brachte. Hey, Ho, let’s go! (Daniel Krönke)