Zwischen Warften und Wattwürmern
Die Goldene Tine – Rückblick auf den Kurzfilmwettbewerb der Husumer Filmtage
Seit hundert Jahren steht sie in Husum auf dem Marktplatz: die “Tine”, ein resolutes Weibsbild mit Paddel und Holzpantinen, benannt nach der Husumer Wohltäterin Anna Catharina Asmussen (1793-1868). Zur Vierhundertjahrfeier der Stadt gönnt man der patinagrünen Fischerfrau nun drei kleine Schwestern in Gold, Silber und Bronze, verliehen auf den 18. Husumer Filmtagen für die besten Kurzfilme zum Thema “Stadt Husum” oder “Westküste”. Hans-Peter Schweger (Volkshochschule), Hans Lorenz Hartung (Kino-Center) und Joachim Steffen (Schleswig-holsteinische Cinématèque), die das Kuratorium der Filmtage bilden, wollten mit dem Kurzfilmwettbewerb ein cineastisches Schmankerl zum Stadtjubiläum liefern. Alle Genres und Formate waren erlaubt, 20 Minuten Länge waren das Limit, der thematische Bezug zur Stadt oder Region waren Bedingung.
Hans-Peter Schweger (links) und Hans Lorenz Hartung vom Kuratorium der Husumer Filmtage
Aus rund 60 Einsendungen erfüllten elf Beiträge die Kriterien und hatten sich am Samstagabend (13. September 2003) dem kritischen Publikum und einer vierköpfigen Jury (Martina Fluck, Regisseurin und Produzentin aus Heide, Friedrich Laubengeiger, freier Künstler aus Husum, Peter Empen, ehemaliger Bürgervorsteher aus Husum und Lorenz Müller, Kulturelle Filmförderung Schleswig-Holstein aus Kiel) zu stellen. Doch Ruhm, Ehre und die liebevoll gestalteten Trophäen waren nicht die einzigen Anreize zur Teilnahme. Die drei kleinen “Tines” waren mit einer ordentlichen Mitgift ausgestattet. 1.000, 750 und 500 Euro spendete die Sparkassen-Kulturstiftung Nordfriesland als Preisgelder und kreierte damit nebenbei einen der höchstdotierten Kurzfilmpreise im Land, wenn nicht gar bundesweit. Für den Publikumspreis gab es einen weiteren Scheck über 500 Euro, gestiftet von der Stadtwerke Husum GmbH. Südlich des Mains würde man zur Verleihung solcher Summen bereits Staatssekretäre oder Kultusminister herbei zitieren, aber nördlich der Eider geht man gelassen zur Sache.
Bei Wettbewerben ohne genaue Teilnehmerbeschränkung schwankt die Qualität der Beiträge erwartungsgemäß sehr stark. Die Jury war gezwungen, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Professionelle Hochglanz-Spielfilme standen neben gut gemeinten aber schlecht gemachten Anfängerproduktionen. Die hohen Preisgelder und der künstlerische Maßstab der Jubiläums-Filmtage ließen die Jury allerdings schnell einig werden, dass kein Pardon gegeben wird, kein pädagogischer Bonus und keine Fleißpunkte. Skurrile Fehlschläge waren kaum im Programm, abgesehen von einem Beitrag über die Abwasserentsorgung der Stadt Husum, der mit heiligem Ernst zu den Klängen von Antonio Vivaldi so gnadenlos auf Klärschlamm und Fäkalien zoomte, dass man dankbar war für die – hier stimmt das Wort! – beschissene Bildqualität. Auffällig war die Gleichförmigkeit der Motive. Nordfriesland gehört naturgemäß nicht zu den abwechslungsreichsten Landschaften und das Wettbewerbsthema setzte Grenzen, doch dass selbst den meisten Einheimischen zu ihrer Heimat nicht viel mehr einfällt als Schafe, Deiche und Windkraftanlagen, war schon erstaunlich. Die drei Gewinnerfilme zeigten dann, dass es zwischen Warften und Wattwürmern auch noch Menschen zu entdecken gibt.
Nach knapp drei Stunden mit 135 Minuten reinem Filmprogramm zog sich die Jury zur Beratung zurück, und die Zuschauer zückten die Stifte. Von den über 230 Besuchern im proppevollen Casablanca-Saal des Husumer Kino-Centers waren allerdings nur die zahlenden Gäste stimmberechtigt. Auf diese Weise wurden Stimmanhäufungen durch Filmteams, Fanclubs und Verwandtschaft elegant vermieden. Die Jury hatte die Top-Drei in trauter Einigkeit schnell ermittelt.
Die “Bronzene Tine” ging an den fünzehnminütigen Kurzspielfilm “Goldschüppchen” der Hamburger Produktionsfirma “Achterndiek”. Frank Jacobsen führte Regie bei dieser Märchengeschichte um ein kleines Mädchen (gespielt von Lena Thiesen aus Schwesing bei Husum), das noch neu ist an der Westküste und sich vor den riesigen Windrädern fürchtet, bis ein ängstlicher Stichling namens “Goldschüppchen” und ein geisterhafter guter Onkel ihr die Zauberwelt der Windkraftanlagen zeigen. Trotz seiner unverhohlenen Werbung für ein Windenergieunternehmen überzeugte der Film durch seine Darsteller und die handwerkliche Qualität. Jury und Zuschauer lagen in ihrem Urteil nicht weit auseinander, denn “Goldschüppchen” konnte ebenfalls den Publikumspreis für sich verbuchen.
Katharina Korell (Mitte), “Von der Boutique zur Biike”, mit der “silbernen Tine”, rechts: Klaus Jürgen Andresen von der Sparkassen Kulturstiftung Nordfriesland
Der mit 1.000 Euro dotierte Hauptpreis der “Goldenen Tine” ging an den 12-minütigen Kurzfilm “kopfüber” von Jörg Streese aus Bremen. Rauhe Schwarzweiß-Bilder eines Segeltörns mit einem 130 Jahre alten Tradtionsschiff wurden mit wenigen Mitteln in eine einfache aber atmosphärisch dichte Geschichte verwandelt. Ein verträumter Sonderling gelangt als blinder Passagier und Schiffsjunge bis nach Amerika und sucht sein Glück in der neuen Welt. Erzählt wird die Story mit Zwischentiteln und Klavierbegleitung im Stil eines Stummfilms. Manchmal ist Schweigen eben doch Gold. (Text und Fotos: Lorenz Müller)