JazzBaltica 2003:
Koordinaten des Tanzes
DanceNight mit Gabin Dabiré, Lokua Kanza, Dominic Miller Project und noJazz.
Magische Perkussionsloops und eine Prise funkiger Pop, der Soul der durch sonore Balladen streunenden Stimme Gabin Dabirés und Lokua Kanzas schnörkellos weichgezeichneter Tenor – das sind die Komponenten eines Crossovers, das europäischen Dancefloor und afrikanische Roots so nah beieinander erscheinen lässt, wie beide Kontinente bei Gibraltar in Sichtweite sind.
Würde man dem Tanz ein Koordinatensystem einbeschreiben, so läge dessen Ursprung in Afrika. Breitengrade verliefen in westliche Richtung nach Amerika und nun zeichnen Süd-Nord-Wanderer wie Dabiré die Längengrade ein. „Tieru“ ist so ein Stück, bei dem man nicht weiß, woher das tänzerische Element stammt. Aus der unmittelbaren Energie des afrikanisch Tribalen, aus der abendländischen Pop-Mechanik, die aus einem Beat und einer Melodie Ohrwürmer züchtet, oder aus beiden? Das Dominic Miller Project stellt diese Frage instrumental. Gitarrist Miller zirpt auf den Saiten wie Miles Davis in die gestopfte Trompete, Pino Palladino wummert dazu Monsterbässe und Conga-Mann Pibo Marquez wirbelt so windig, dass der Sturm perfekt ist. Toppen kann das nur noch Pat Metheney, der mit einer bejubelten Sessioneinlage sein Grußwort abgibt.
Die Koordinaten des Tanzes scheinen damit abgesteckt. Aber der DanceNight, die bisher nur aus dem jazztypischen Mitwippen bestand, fehlt noch die dritte Dimension. Wo aller Jazz auch im Crossover „klassisch“ bleibt, fügt das französische Quintett mit dem protestierend ironischen Namen „noJazz“ dem Globus die Avantgarde-Grade hinzu: DJ-Scratching, Breakbeats, Hiphop aus Pariser Banlieus, aggressive Freejazz-Bläsereien und das nach quirligen Sample-Kaskaden erlösende „Four to the Floor“ tranchieren jetzt die Tanzbeine. Noch ungewohnt für manchen graumelierten Jazzpuristen im Publikum, aber Jazz Baltica sind damit zukunftsweisend neue Koordinaten eingezeichnet. (jm)