Sport ist Wort

„Locker und schwitzend“ hatte bei der Ausstellung „Sport Spiel Kunst“ in Salzau Premiere

Beim Hanteltraining kommt Maria-Debora Wolf ins Grübeln: „Wenn man nur denkt, ist es so, dass nichts passiert. Aber beim Hanteltraining wächst etwas. Das Spannende dabei ist nicht das Auf und Ab, sondern das Mitzählen. Und das beschäftigt dann das Gehirn.“ In seiner Kurz-Doku „Locker und schwitzend“ geht der Kieler Filmemacher Helmut Schulzeck dem Geistigen der Leibesübung auf den Grund. Sport ist Bewegung, aber nicht nur der Muskeln, Sport ist hier vor allem Wortbewegung – und zwar so nutzlos spielerisch wie jede gymnastische Übung. Ob beim Stretching mit Terraband oder beim „Rennen, um rallig zu werden“ – Darstellerin und Co-Autorin Maria-Debora Wolf redet und redet beim Sport … über Sport.

Das nicht ohne hintersinnigen Humor, denn natürlich sind ihre Theorien, dass Frauen beim Laufen geschlechtsverkehrsbereit werden, damit sie nicht von Stamm und Sippe wegrennen, sondern brünstig ans Familienfeuer zurückkehren, ebenso hanebüchen wie einleuchtend. Wie in Schulzecks Doku-Fake „www.betreuteLoecher.de“ (ebenfalls mit Maria-Debora Wolf als Muse und Darstellerin) bleibt es auch in „Locker und schwitzend“ bewusst unentschieden, ob der Zuschauer hier einen Scherz oder eine wirkliche Dokumentation vor sich hat.

Für das Thema Sport scheint diese doppelbödige Herangehensweise deshalb besonders passend, weil Sport ebenso wie Kunst das Zweckfreie innewohnt, genauer: der spielerische Selbstzweck. Im zeitgeistigen Fitnesswahn und Körperkult scheint dieser zwar auf einen äußerlichen Nutzen gerichtet, die Formung des Körpers nach einem vermeintlichen Ideal. Aber genau das ist letztlich ein künstlerischer Akt. Diesem „Geistigen“ der Leiblichkeit tragen die vielen Spielarten des Bodyformings – vielleicht unbewusst, aber nicht zufällig – Rechnung, indem sie um Fit- und Wellness eine ganze „Philosophie“ bauen, die sich eklektisch aus allerlei geistesgeschichtlichen Töpfen bedient. In aller Absurdität ihrer sportlichen Überlegungen ist die Protagonistin dabei eine wenn auch karikaturistisch überzeichnete, so doch typische Vertreterin der Fitness-Welle, die längst vom Trim-Trab der 70er, den noch Krankenkassen propagierten, in den hochglanzmagazinigen Lifestyle-Spurt um „sich veräußern und sich ausstellen“ übergegangen ist.

Ausgesprochen locker, statt bedeutungsschwanger schwitzend umkreist der Film in pointierten Anspielungen und (Schein-) Zitaten einen Zeitgeist, dem kein Spiegel vorgehalten, aber dafür die Stirn des Satirikers geboten wird. Wenn das Terraband, jenes unkaputtbare „Gummi weniger für den Mann als für die Frau“ plötzlich das modische „Ying und Yang“ umspannt, wenn das „Chillout“ nach dem Schwitzen vorzugsweise mit meditativem Murmelwurf in Wasserwannen auf dem Küchentisch zelebriert wird, ist Sport als eine selbstironische Veranstaltung wider den sportlichen Ernst erkennbar, als Trainingseinheit für die Schmunzelmuskeln. Bei der Ausstellung „Sport Spiel Kunst“ in Salzau war der in Dauerschleife gezeigte Film entsprechend eine kleine Attraktion – und einer der am genauesten auf den Punkt zielenden Beiträge zum Thema der Ausstellung: der geheimnisvollen Nähe von Sport und Kunst als zwei ernsthaft betriebenen aber doch spielerisch gedachten Unternehmen des Selbstbezugs und -zwecks. (jm)

„Locker und schwitzend“, D 2002, 10 Min., BetaSP/MiniDV, Buch: Helmut Schzulzeck, Maria-Debora Wolf, Regie, Kamera, Produktion: Helmut Schulzeck, Schnitt: Kai Zimmer, gefördert von der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner