Tatort Kiel
Ein Filmteam erlebt die Landeshauptstadt
23 Drehtage benötigte Axel Milberg alias Kommissar Borowski, um im ersten Kieler Tatort den Mörder zu entlarven. Ein Kommissar mit Heimvorteil: Milberg kennt sich aus zwischen Förde und Nordostseekanal, ist er doch selbst im Kieler Stadtteil Düsternbrook aufgewachsen. Doch viele der Drehorte waren auch für ihn Neuland. Von Berufs wegen ging es unter anderem auf den Leuchtturm am Falckensteiner Strand, in die Zellen des Polizeigewahrsams des BKI Kiel, in die oberste Etage des gläsernen Web Campus an der Hörn, wo Produktionsleiter Stefan Knauß das Produktionsbüro der Firma Nordlicht Film angesiedelt hatte, oder ins Rotlichtmilieu am Wall. Kiel hatte für das ganze Team Überraschungen zu bieten. Manch einer versuchte vergeblich, nach Drehschluss einen geöffneten Supermarkt zu finden, bis er durch Szenenbildner Erik Rüffler schließlich nach Holtenau gelotst wurde: in den nostalgisch-charmanten Kaufmannsladen des Schiffsausrüsters Hermann Tiessen. Der ist an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr geöffnet. Es gibt Lebensmittel und exotische Gewürze, Obst und regelmäßig Fisch, und nicht nur Regisseur Thomas Freundner ließ sich dazu verlocken, ein paar fangfrische Heringe mit ins Wochenende nach Berlin zu nehmen.
Doch nicht alle Teammitglieder haben am Freitag abend der Landeshauptstadt den Rücken gekehrt, im Gegenteil: die Forstbaumschule wurde zum zweiten Wohnzimmer von Kameramann Benjamin Dernbecher und seiner Beleuchtercrew, Dampferfahrten nach Laboe, Sushi-Essen im Soho und Brunchen im Louv waren feste Bestandteile des Wochenendes. Zumal die Liegestühle inklusive Wolldecken in letzterem wirklich der April-Hit sind: bei Sonnenschein und Milchkaffee die ColorLine vorbeiziehen sehen …
Und damit wären wir bei der größten Kieler Überraschung angelangt – dem Wetter! Die ersten drei Drehwochen lang schien die Sonne. Dauernd. Manchmal war stundenlang keine einzige Wolke, nicht einmal ein Wölkchen am weiten Himmel über der Förde zu sehen. Es gab sogar Sonnenbrände zu beklagen. Im März in Kiel. Als Beweis soll die Szene „Drachensteigen lassen am Falckensteiner Strand“ dienen: keine Wolke, wie gesagt, dafür zufällig zwei U-Boote im Halbstundentakt hintereinander, so dass die am Strand inszenierte Dialogszene aus zwei Kameraperspektiven problemlos mit U-Boot auf Anschluss geschnitten werden kann.
Warten wir’s ab: der Tatort wird voraussichtlich am 30. November 2003 gesendet. Es ist nicht auszuschließen, dass er fremdenverkehrstechnisch eine Welle der Euphorie nach sich ziehen wird. Doch nicht nur da, man munkelt, Herr Milberg und die Produktionsfirma stünden einer Fortsetzung der Kiel-Überraschungen nicht abgeneigt gegenüber. (Lena Jana Krajewski)
Lena Jana Krajewski drehte im vergangenen Jahr ihren Kurzspielfilm „Frag‘ nicht nach Sonnenschein“ mit Katharina Thalbach in Kiel. Bei den Dreharbeiten zum Kieler Tatort arbeitete sie als 2. Regieassistentin mit.