Vernetzen – Profil zeigen – Geschichten erzählen

Landesregierung, MSH und Kulturelle Filmförderung S.-H. luden unter dem Motto „Küstenvolk auf der Berlinale“ zum ersten Filmbrunch in die schleswig-holsteinische Landesvertretung.

„Künstlerinnen und Künstler – das gilt nicht nur für die Filmbranche – sind äußerst sensible Naturen, die am liebsten als Einzelwesen arbeiten“, stellte Ministerpräsidentin Heide Simonis beim ersten schleswig-holsteinischen Filmbrunch in Berlin fest. „Dieser an sich liebenswerte Zug“, so Simonis, „hat nur den Nachteil, dass man wenig von einander weiß.“

Nicht zuletzt um dem abzuhelfen, hatten Landesregierung, die MSH – Gesellschaft zur Förderung audiovisueller Werke in S.-H. und die Kulturelle Filmförderung S.-H. unter dem Motto „Küstenvolk auf der Berlinale“ am 10. Februar zum Branchentreff in die Landesvertretung eingeladen. Etwa 170 Filmschaffende und Branchenvertreter, unter anderem als prominenter Gast Hanno Huth von Senator-Film, waren der Einladung gefolgt. Die Veranstalter waren begeistert über den „unerwartet großen Zuspruch beim Fachpublikum, für das Schleswig-Holstein offenbar immer interessanter wird.“

„Die Landschaft ist eigentlich überall filmreif“, benannte Simonis einen der Vorteile des Filmlandes Schleswig-Holstein und verwies auf zahlreiche TV-Produktionen (z.B. „Der Landarzt“ oder „Küstenwache“), die bereits im nördlichsten Bundesland gedreht würden. Ebenso hob Simonis den für die Vermittlung und Vermarktung von Drehorten wichtigen „Location Guide“ der MSH Film Commission (www.shfc.de) hervor.

Heide Simonis (Foto: jm)

Um das Land filmwirtschaftlich wie künstlerisch weiter voranzubringen, bedürfe es verstärkter Anstrengungen in drei Bereichen:

  • Eine bessere Vernetzung von Filmschaffenden untereinander und mit der Wirtschaft.
  • Simonis ermutigte Filmschaffende, über MSH und Kulturelle Filmförderung hinaus auch bei den Institutionen der Wirtschaftsförderung, z.B. der Investitionsbank, Rat und Beistand bei der Finanzierung von Projekten einzuholen.
  • Zur Verdeutlichung des Standortprofils komme der MSH, der Unabhängigen Landesanstalt für das Rundfunkwesen (ULR) und der Kulturellen Filmförderung „eine Agenturfunktion“ zu. „Sie sind Ansprechpartner für die Branche und könnten als eine Art Innovationsberater offensiv die Vernetzung verstärken, Trends aufspüren, Felder der Zusammenarbeit aufzeigen.“

Auch Lars Büchel, Landeskind und bundesweit erfolgreicher Filmregisseur („Jetzt oder nie“, aktuell fördert die MSH sein Projekt „Erbsen auf halb sechs“), sah in der Filmförderung einen wichtigen Partner für junge Filmemacher. Zwar sei „das Synonym für Film Warten, Warten auf Gelder, auf den Startschuss des Produzenten, auf gutes Wetter …“, dennoch könne man sich als Filmemacher in Schleswig-Holstein glücklich schätzen: „Wir haben kurze Kommunikationswege, die Förderungen tauschen sich aus, die Landesregierung zeigt ein großes Engagement, wir bleiben miteinander im Gespräch. Da wir in der Regel im Norden nicht lange und schon gar nicht viel sprechen, kommen wir schnell zur Sache. Kein Warten.“

Lars Büchel (Foto: jm)

Dass es in Schleswig-Holstein im Gegensatz zu anderen Bundesländern, wo wie im Saarland die Filmförderung eingestellt werde, sogar drei Förderinstitutionen gebe, die LAG Jugend & Film, die MSH und die Kulturelle Filmförderung, sei keinesfalls selbstverständlich. Alle drei hätten auch seine Arbeit unterstützt. „Ich bekam zu jeder Zeit Hilfestellung und mir wurde signalisiert: Du bist nicht allein.“

Obwohl Schleswig-Holsteins Mittel für Filmförderung begrenzt seien, so Büchel weiter, das wenige Geld werde erfolgreich eingesetzt. Denn: „Mehr Geld bedeutet nicht zwangsläufig auch bessere Filme. Konzentrieren wir uns auf das, was wir einmal richtig gut konnten: auf das Erzählen unserer Geschichten, fördern wir sie, so eigenwillig sie sein mögen, haben wir den Mut dazu!“

(nach einer Pressemitteilung der MSH, jm)

Dokumentiert: Rede von Lars Büchel beim Filmbrunch

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,

ich werde oft gefragt, wie oder was Film ist. Ich antworte: „Das Synonym für Film ist Warten.“ Warten auf Gelder, auf die Gesamtfinanzierung, auf den Startschuss des Produzenten, auf geeignete Darsteller, auf die richtige Jahreszeit… Warten, oft jahrelang.

Für den Film „4 Geschichten über 5 Tote“ habe ich 4 Jahre Finanzierungszeit gebraucht. Für „Jetzt oder Nie“ waren es knapp 4 Jahre, für den neuen Film „Erbsen auf halb sechs“ sind es mittlerweile schon 3,5 Jahre.

Wenn ich in diesem Rhythmus bleibe, brauche ich für die nächsten 5 Filme weitere 20 Jahre. Dann bin ich bald 60, Zeit für viele, an die Pension und Pensionierung zu denken.

Also, man muss einen langen Atem haben, viel Ausdauer und eine gute Kondition. Kraft, die es uns Filmemachern ermöglicht, die Idee am Leben zu erhalten, die Geschichte und ihren Geist, die man erzählen möchte.

Es kann einem nämlich passieren, dass man die eigene Idee überlebt, die Idee ihre Kraft verliert im Laufe der Zeit und ich mich frage, warum will ich eigentlich noch diesen Film drehen? Kann ich das noch, oder bin ich mittlerweile schon zu alt für diesen Stoff?

In diesen Jahren des Nichtdrehens kann viel passieren:

Es kann einem die Idee geklaut werden. Der Produzent tritt zurück, weil er den Film nicht mehr finanzieren kann oder nicht mehr an ihn glaubt. Hitzige Diskussionen über Hauptrollen werden an Gelder gekoppelt. Besetze in meinem Sinne oder du bekommst weniger Geld. Es können auf dem Weg sogar Gelder verfallen und man fängt wieder von Vorne an. Ja, es kann sogar passieren, dass einem über diese Zeit ein Darsteller wegstirbt. Erdacht? Nein, alles schon erlebt.

Nach Truffaut ist ein Regisseur jemand, dem man viele Fragen stellt, die er nicht beantworten kann. Deshalb ist es gut, wenn man diese Fragen nicht immer alleine beantworten muss, wenn man Mitstreiter hat, die man fragen kann, die helfen.

Ich habe das Glück gehabt, dass sich einige dieser Mitstreiter wie ich im Norden niedergelassen haben, dort geblieben sind und drei Förderungen auf den Weg gebracht haben. Es traf sich, dass die Förderungen gegründet wurden, als ich begann, ernsthaft über das Filmemachen nachzudenken.

Und Ich wurde unterstützt. Von der LAG Film, der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein und der MSH. Ich bekam zu jeder Zeit Hilfestellung und mir wurde signalisiert: Du bist nicht allein.

In Schleswig-Holstein zu drehen hat viele Vorteile. Wir haben länger Licht. Der Tag beginnt früher und der Abend kommt später als beispielsweise in Baden-Würtemberg. Das spart Geld.

Die Menschen im Lande sind dem Film gegenüber aufgeschlossen und freundlich. Ganz im Gegensatz zu den Münchnern, die oft über die vielen Straßensperrungen klagen.

Zugegebenermaßen, ab und zu geht es bei uns ein wenig kurios zu.

Bei dem Film „4 Geschichten über 5 Tote“ hatten wir ein Polizeiauto für unseren Hauptdarsteller bestellt. Es hat wirklich lange gedauert diesen Wagen zu bekommen. Das Auto kam. Mit zwei Polizisten. Die aber auf Anfrage das Auto nicht verlassen wollten. Ob das die Vorbereitung für einen Berufswechsel sei, wollte ich wissen. Die beiden verneinten das. Das Auto sei ja verabredungsgemäß da, über den Inhalt sei nie gesprochen worden.

Es war bald klar: Den Inhalt würden wir aus dem Auto nicht rausbekommen. Zum Glück hatte ich bei einer Motivbesichtigung auf einem Revier einen Polizisten angesprochen und ihn gefragt, ob er bei uns mitspielen wolle. Er wollte und war Hauptkommissar. Die beiden akzeptierten seinen Dienstausweis und zogen davon. Ich weiß, dass sie ohne diesen Ausweis wohl nicht ausgestiegen wären.

Wissen Sie, es hat einen großen Vorteil in S.-H. Filmemacher werden zu wollen. Das will eben nicht jeder.

Und die wenigen, die es wirklich werden wollen, sehen die angenehmen Züge in diesem Land. Wir haben kurze Kommunikationswege, die Förderungen tauschen sich aus, die Landesregierung zeigt ein großes Engagement, wir bleiben miteinander im Gespräch. Da wir in der Regel im Norden nicht lange und schon gar nicht viel sprechen, kommen wir schnell zur Sache. Kein Warten. Ein großer Vorteil.

Nun ist S.-H. nicht die Filmmetropole der nördlichen Hemisphäre. Das wissen wir. Wir wissen auch, dass wir im Konzert der Großen nicht wirklich mitspielen können. Wir wissen, dass wir nicht viel Geld haben, relativ gesehen. Es ist gut, sich selbst klar einzuschätzen.

Nun kann man anfangen, die Zustände zu bemäkeln, sie fortwährend zu kritisieren und ständig unzufrieden durch die Welt zu laufen. Das Klagen über die Dinge ist eine recht einfache Übung und manchmal drängt sich der Eindruck auf, dass gerade wir Deutschen in dieser Disziplin -wenigstens hier – zu den Spitzenreitern gehören.

Man kann aber auch das Gegenteil tun. Es ist eben nicht selbstverständlich, dass unser Bundesland drei Förderungen hat. Diese Förderungen haben über zehn Jahre lang viele Filme auf den Weg gebracht. In diesen grauen Zeiten, von denen wir nicht wissen, ob sie nicht noch viel schwärzer werden, gilt festzustellen:

Es gibt uns. Die Saarländer zum Beispiel können das nicht mehr von sich behaupten. Die Förderung des Films wurde dort eingestellt. Und mit den Mitteln, die uns zur Verfügunq stehen, können wir sagen: Wir sind sogar erfolgreich.

Nein, das bedeutet nicht, dass nicht auch Kritik angebracht wäre, an unserem System, an den Vergabe-Kriterien, an der Organisation, an dem Ergebnis. Letztlich wird die Förderung an den Filmen gemessen, die sie mitzuverantworten hat.

Es stimmt. Niemand kann sagen, wie ein Film wird. Was wir hingegen beurteilen können, zumindest annähernd, ob es sich lohnt, dieses, das heißt genau dieses Buch von genau dem Regisseur zu fördern. Darin liegt eine Möglichkeit. Die Geschichten genau zu prüfen, das ist unsere Aufgabe – vor allen Dingen die Aufgabe der Regisseure selbst. Meine Aufgabe.

Nein, wir haben nicht viel Geld. Und damit meine ich nicht nur uns Schleswig-Holsteiner. Aber wir haben Geschichten. Ich glaube an eigenwillige Geschichten.

Was möchte das Publikum? Es möchte berührt werden. Ein Thriller soll spannend sein, eine Tragödie traurig, eine Komödie komisch. Nein, wir werden in den nächsten 200 Jahren in Schleswig Holstein vermutlich keine Filme mitfinanzieren, in denen ein Meteorit auf die Erde zu fallen droht. Aber das ist nicht so schlimm. Mehr Geld bedeutet nicht zwangsläufig auch bessere Filme. Konzentrieren wir uns auf das, was wir einmal richtig gut konnten: auf das Erzählen unserer Geschichten. Entwickeln wir Geschichten, fördern wir sie, so eigenwillig sie auch sein mögen. Haben wir den Mut dazu!

Wir dort oben im Norden sind so etwas wie eine Filmfamilie. Wobei ich den Begriff „Familie“ gerne noch mal prüfen möchte. Weil die Familie oft ein geschlossenes System ist. Das kann bedeuten, dass andere sich ausgegrenzt fühlen. Aber das meinen wir nicht. Also, wir sind vielleicht so etwas wie eine verschworene Filmgemeinschaft. Die es gerne sieht, wenn Besucher kommen. Andere Filmschaffende.

Unser Land ist flach. Wir können weit gucken. Deshalb können wir auch früh sehen, wenn jemand kommt. Da wir in der Tendenz langsam sind, haben wir genug Zeit uns auf unsere Besucher einzustellen. Ich glaube, wir können uns manchmal freuen. Über unsere Förderung im Lande, die – ich darf das hier kurz anmerken – meinen nächsten Film gefördert hat, und ich möchte mich dafür im Namen von unserem Produzenten Hanno Huth und unserem Herstellungsleiter Ralf Zimmermann herzlich bedanken.

Wir freuen uns. Weil wir wissen, dass es nicht selbstverständlich ist, Geld zu bekommen für Filme.

Wir haben jetzt gewartet. Länger gewartet. Also ein bisschen wie beim Film. Deshalb möchte ich jetzt schließen. Lassen sie uns auf das Wohl unserer Gastgeber anstoßen, uns herzlich für die Einladung bedanken und unser Glas erheben auf zukünftige Filme, die wir gemeinsam auf den Weg bringen. Vielen Dank.

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