Nordische Filmtage Lübeck 2002
Tunnelblick der Sehnsucht
Der Tunnel (Tunnelen)
Die Kamera schliert und wackelt, das Pixelkorn wird grob, Schatten huschen. In „Der Tunnel“ (DK 2002, 20 Min., Beta SP) zeichnet Claus Schrøder Nielsen das Psychogramm eines Patienten in der „Geschlossenen“. „Bist du so wie ich?“, fragt der jede und jeden, die ihm begegnen, auf den Fluren der Anstalt ebenso wie in U-Bahn-Schächten, in die er entkam. Das Geräusch eines Zuges rauscht heran, die Guillotine, die Hoffnung auf Flucht bietet aus dem Sehnsuchtsversteck nach Nähe. Rituell entfernt der Seelenkranke immer wieder die Böden von Plastikbechern, um sie sich als Schallverstärker über die Ohren zu stülpen. Das rauschhafte Hören als Weg zum Inneren, das aus seinem Gefängnis will.
Nielsen gelingt ein bestürzendes Porträt eines in der eigenen Innenwelt Verhafteten, der nichts sehnlicher wünscht als den Weg nach draußen, dorthin, wo seines Gleichen sein könnte. Der Tunnel, jener unendlich verengte Schlauch, an dessen Ende unerreichbar das Licht der Befreiung scheint, ist dabei eine Metapher, die die Kamera im waidwunden Weitwinkel inszeniert. Der Film lief im Dokumentarfilmprogramm und ist doch fast schon ein Kurzspielfilm, ein Grenzgänger zwischen Fiktion und Dokument, dem Dogma durchaus nahe. (jm)