Das neue Urhebervertragsrecht
Das neue Urhebervertragsrecht ist am 1.7.2002 in Kraft getreten. Durch das „Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern“, wie das Gesetz formal bezeichnet ist, werden insgesamt 14 Vorschriften des UrhG geändert, wovon aber nur drei Änderungen eine wesentliche Bedeutung zukommt.
Dies sind der Anspruch auf angemessene Vergütung gemäß § 32 UrhG, der verbesserte so genannte „Bestsellerparagraf“ § 32a UrhG sowie die Vorschriften zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln, §§ 36, 36a UrhG.
Ziel des Gesetzes war die Besserstellung von Urhebern gegenüber den Verwertern ihrer kreativen Tätigkeit. So drückt die Ergänzung des § 11 UrhG durch den Satz „Es [das Urheberrecht] dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes“ klar die Vorstellung des Gesetzgebers aus, dass der Urheber stets eine adäquate Beteiligung an der Verwertung seines Werkes erhalten soll.
a) Anspruch auf angemessene Vergütung
Kern der Gesetzesänderung ist der in § 32 UrhG festgehaltene Anspruch auf angemessene Vergütung. Ausgehend von dem Gedanken, dass in vielen Fällen ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Verwertern und Urhebern vorliegt, wird dem Urheber im Ergebnis ein Nachbesserungsanspruch gegen den Verwerter eingeräumt, so dass der Urheber bei einer Unangemessenheit des vereinbarten Honorars von seinem Vertragspartner die Einwilligung in die Änderung des Vertrages verlangen kann, um dadurch die Gewährung einer angemessenen Vergütung zu erreichen.
Eine Vergütung ist dann angemessen, wenn sie im Geschäftsverkehr für die beabsichtigte Nutzung üblich und redlich ist oder die Vergütung nach einer gemeinsamen Vergütungsregelung (§ 36 UrhG) ermittelt werden kann. Derzeit wurden noch keine gemeinsamen Vergütungsregeln (s.u.) getroffen.
Maßstab ist daher zunächst die branchenübliche Vergütung. Sofern die branchenübliche Vergütung jedoch nicht der Redlichkeit entspricht, wird eine wertende Korrektur vorgenommen. Falls keine Branchenübung festgestellt werden kann, erfolgt eine Festsetzung nach billigem Ermessen, die alle relevanten Umstände wie Art und Umfang der Nutzung, Marktverhältnisse, Risikotragung, zu erzielende Einnahmen und andere Umstände berücksichtigt.
Die Beurteilung der Redlichkeit oder eine Festsetzung nach billigem Ermessen wird aber letztendlich durch Gerichte zu klären sein. Sofern es zukünftig gemeinsame Vergütungsregelungen geben wird (s.u.), gelten diese Vergütungen unwiderleglich als angemessen. Der Anspruch auf angemessene Vergütung besteht jedoch nicht, wenn das Honorar für die Nutzung durch Tarifverträge bestimmt ist.
Der Anspruch auf Korrektur des Vertrages verjährt drei Jahre nach Vertragsabschluss und findet bereits auf Verträge Anwendung, die nach dem 1.6.2001 geschlossen wurden. Den Beweis dafür, dass das vereinbarte Honorar nicht angemessen war, muss der Urheber bringen.
Fraglich bleibt, ob die neue Vorschrift eine Flut von Prozessen auslösen wird. Dies ist eher unwahrscheinlich, da der scharfe Wettbewerb wohl dazu führen wird, dass betroffene Urheber den Klageweg scheuen werden. Wahrscheinlich sind aber gewerkschaftlich unterstützte Musterverfahren oder Klagen einzelner Urheber, bei denen aber vermutlich außergewöhnliche Umstände vorliegen.
b) „Bestsellerparagraf“
Der verbesserte „Bestsellerparagraf“, auch „Fairnessausgleich“ genannt, gibt den Urhebern einen Anspruch auf Ausgleich des Nachteils, der dadurch entsteht, dass die Erträge oder Vorteile aus der Nutzung des Werkes in einem auffälligen Missverhältnis zu der gezahlten Vergütung stehen. Ein Beispiel wäre der Drehbuchautor, der für das Drehbuch im Rahmen eines Buy-Out-Vertrages 10.000 EURO erhält, der Produzent damit aber 1 Million EURO verdient.
Besonderheit ist, dass der Anspruch nicht nur gegen den eigenen Vertragspartner gerichtet werden kann, sondern auch gegen einen Dritten, der von dem Vertragspartner die Nutzungsrechte erworben hat. So könnte der Regisseur den Anspruch nicht nur gegen den Produzenten richten, sondern er müsste den Anspruch z.B. gegenüber der Sendeanstalt geltend machen, sofern diese von dem Produzenten die Rechte erworben hat und die Erträge erzielt.
Bei der Beurteilung, ob ein „auffälliges“ Missverhältnis vorliegt, soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine Abweichung der vereinbarten Vergütung von der angemessenen Beteiligung um 100% ausreichen. Nach den Umständen sollen aber auch bereits geringere Abweichungen ein auffälliges Missverhältnis begründen. Dabei sind nicht allein die Erträge zu berücksichtigen, die der Verwerter aus der Nutzung des Werkes zieht, sondern alle Vorteile, so z.B. auch Werbung.
Der „Fairnessausgleich“ gilt auch für Alt-Verträge, soweit das Missverhältnis durch Verwertungen entsteht, die nach dem 28.3.2002 erfolgt sind.
Ob sich diese Regelung in der Praxis durchsetzt, bleibt ebenfalls abzuwarten. Erste Erfahrungen mit Sendeanstalten zeigen, dass versucht wird, die erzielten Vorteile als gering zu bezeichnen, oder Urheber werden mit dem Hinweis konfrontiert, dass die Mehrvergütung vom Redaktionsetat abgezogen wird, weshalb dann wiederum weniger Geld für neue Produktionen zur Verfügung stehen würde. Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt berief sich auch zur Rechtfertigung ihrer Weigerung zur Anpassung des Honorars auf den Bildungsauftrag, den die Anstalt zu erfüllen habe. Konkrete Ergebnisse müssen daher abgewartet werden.
c) Gemeinsame Vergütungsregeln
Bedeutsames Instrument ist allerdings die Regelung in § 36 UrhG, wonach Vereinigungen von Urhebern mit Vereinigungen von Werknutzern oder einzelnen Verwertern gemeinsame Vergütungsregelungen aufstellen können. Zu diesem Zweck bilden die beteiligten Urheber- und Verwertervereinigungen eine so genannte Schlichtungsstelle, die gemeinsame Vergütungsregelungen finden soll.
Derzeit finden in mehreren Branchenbereichen erste Gespräche zwischen Urheber- und Verwerterverbänden statt, Ergebnisse liegen jedoch noch nicht vor.