Umschalten jetzt! – eine Stellungnahme

Ende April legte film20, die Interessengemeinschaft Filmproduktion, ein vielbeachtetes Diskussionspapier vor: Umschalten jetzt! Für eine effektive Förderung des deutschen Films Überlegungen und Forderungen anlässlich des filmpolitischen Papiers von Kulturstaatsminister Nida-Rümelin und in Richtung auf die anstehende Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG). Schwerpunkt des Papiers sind Forderungen zu einer Reform der Filmförderung in Deutschland.

film20 formuliert vier Reformziele:

Mit der festen Überzeugung und dem gesicherten Wissen, dass Erfolge für den deutschen Film machbar und Veränderungen auch und gerade bei der Filmförderung notwendig sind, sehen wir vier Hauptziele, die eine Novellierung der Filmförderung anvisieren muss:

  • die Akkumulationsmöglichkeit von höheren Budgets für „Zugpferd“-Produktionen
  • mehr Markt statt Gremienentscheidung in der Filmförderung;
  • angemessene Berücksichtigung der dominanten Stellung des Free-TV als Verwerter im deutschen Markt beim Beitrag für die Kinofilmförderung;
  • Erhöhung von Handlungsspielraum, Eigenverantwortung, Refinanzierungsfähigkeit der Produzenten.

Zur Zielerreichung nennt der Verein 12 Forderungen, die im nachfolgenden kommentiert werden.

1. Massive Erhöhung des Selbsthilfefonds der Branche

Diese Forderung ist zu unterstützen. Grundsätzlich sollen wirtschaftliche Hilfen für einen bestimmten Empfängerkreis möglichst innerhalb des Wirtschaftsektors generiert werden. Volkswirtschaftlich sind dadurch geringere Verwerfungen zu erwarten, als wenn eine Subventionierung sektorenübergreifend, d.h. zum Beispiel aus allgemeinen Steuermitteln, erfolgt. Auch eine gleichmäßige und vollständige Belastung aller Nutzer der Verwertungskette ist wünschenswert, da somit Verzerrungen zwischen den Verwertungsstufen vermieden werden. Dabei ist die absoluten Höhe der geforderten Abgabe auf jeden Fall an der Leistungskraft des schwächsten Glieds auszurichten, um eine Überforderung zu verhindern. Wichtiges Kriterium für eine solche Abgabe ist ebenfalls die Möglichkeit der belasteten Verwerter, diese Abgabe auf den Endverbraucher abzuwälzen.

2. Free TV als Nutzer angemessen einbinden

Dass das Free TV als ein besonderer Nutzer von film20 behandelt wird, ist sicherlich den derzeitigen Realitäten des Dualen Fernsehsystems in Deutschland geschuldet. Der vorgelegte pragmatische Vorschlag ist daher sicherlich nur ein Anfang in der Debatte um die Rolle der Fernsehsender. Systematisch zu rechtfertigen ist diese Ausnahmestellung nicht.

3. Das Verhältnis von Referenzfilmförderung zu Projektförderung

film20 fordert die Umschichtung von Projektfördermitteln hin zu Referenzfördermitteln.

Hier greift die Forderung jedoch zu kurz. Eine Fortführung des derzeit bestehenden Projektförderungssystems aus erfolgsbedingt rückzahlbaren Förderungen ist überholt. Für die Förderer und die Produzenten schafft die Rückzahlung von Fördermitteln erheblichen Verwaltungsaufwand. Der Produzent muss ggf. betriebswirtschaftlich suboptimal agieren, um seine Gewinne zu maximieren. Sieht man sich in der Realität die Größenordnung der Rückflüsse an, so sind diese auch eher bescheiden. Es ist daher für die Abschaffung der Darlehensförderung zu plädieren und stattdessen eine Zuschussförderung zu gewähren.

Eine Zuschussförderung kennt keine Referenzmittel und damit auch keine Rivalität zur Projektförderung. Zuschussförderung begünstigt die Produktion von erfolgreichen Filmen und bürdet dem erfolgreichen Produzenten nicht noch ein verwaltungsintensives Referenzmittelverfahren auf.

Die von film20 geforderte

4. Reform der Referenzfilmförderung

würde sich damit auch erübrigen. Die vorgeschlagenen Kriterien sind jedoch auch gut als Erfolgskriterien für die Bewertung von Filmen im allgemeinen geeignet

5. Reform der Projektförderung

Forderungen nach flexiblen und fachgerechten Vergabegremien sind sicher unterstützenswert. Auf jeden Fall ist einem verbandsunabhängigen Expertengremium der Vorzug vor einem Gremium der Interessensverbände zu geben. Der vorgelegte Besetzungsbeschluss weist eine große Theorielastigkeit auf und ist sicher noch nicht der Weisheit letzter Schluss.

Wesentlicher ist die Forderung nach einem kriteriengleichen Lektorat bei der Bewertung von Spielfilmen. Der von der Filmboard veröffentlichte Lektoratsbogen ist eine gute Basis für weitere Entwicklungen in diesem Bereich.

6. Erhöhung des Handlungsspielraums des Produzenten
Hier: Erweiterung der Verwendung von Referenzmitteln

Die gewünschten breiteren Einsatzmöglichkeiten für die Fördermittel sind grundsätzlich sicher möglich. Es ist jedoch zu diskutieren, wie weit sie für das einzelne Projekt sinnvoll sind.

7. Erhöhung des Handlungsspielraums des Produzenten
Hier: Verbesserung der Rechtesituation und des Refinanzierungspotentials

film20 fordert eine Neugestaltung der terms of trade zwischen den Fernsehsendern und den geförderten Produzenten. Dies ist eine weitverbreitete Forderung und die wirtschaftlich schwierige Lage vieler Erfolgsproduzenten muss Anlass sein, über ein nachhaltigeres Gleichgewicht zwischen den Handelspartnern nachzudenken. Dies liegt sicherlich auch im langfristigen Interesse der Fernsehveranstalter. Besonders wichtig ist die von film20 eingebrachte Flexibilisierung durch gegenseitige Aufrechnungsmöglichkeiten von Erstlizenz (3 Jahre), Ausstrahlungszahl (3) und Kofinanzierungsbeitrag des begünstigten Senders (33,3 % der Herstellungskosten). Nach dieser Formel könnten Produzenten und Sender die Finanzierungs- und Rechteverteilung entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen anpassen. Eine solche Lösung ist der pauschalen Festsetzung in jedem Fall vorzuziehen.

8. Erhöhung des Handlungsspielraums des Produzenten
Hier: Reform der Sperrfristen-Regelung

Die geforderte Abschaffung von Sperrfristen durch die Förderung kann einen höheren Handlungsspielraum für die Produzenten bringen. Dies ist jedoch nur gegeben, wenn die verbleibenden Partner, Produzent und Verleih / Vertrieb / Sender auf gleicher Augenhöhe diese Verhandlungen führen können.

Es ist bei der geforderten Diskussion auf Länderfördererebene zu bedenken, inwieweit die Subventionsziele tangiert werden.

9. Reform der Erteilung deutscher Ursprungszeugnisse

Eine Ansiedlung dieser Aufgabe bei der FFA wäre sicher sachgerechter als die bisherige Lösung.

10. Sitz der deutschen Export-Organisation

Die politische Forderung nach einer Sitzverlagerung nach Berlin wird von film 20 nur sehr rudimentär begründet und steht sehr isoliert im Raum. Hier sollte eine weitere Konzeptionierung erfolgen.

11. Das politische Commitment für den deutschen Film stärken
Hier: Der Finanzbeitrag des BKM

Die Forderung nach mehr Fördermitteln vom Bund ist aus Sicht der Produzenten ein nachvollziehbarer Wunsch. Jedoch bleibt der Verein eine Begründung hierfür schuldig. Sicherlich sind mehr Fördergelder einfacher für Produzenten als stagnierende Fördervolumina. Ob dies jedoch auch besser ist für die wirtschaftliche Entwicklung der Branche, bleibt zu beweisen.

Die Forderung nach einer deutschen Filmakademie

12. Image und Auftritt des deutschen Films stärken
Hier: Das Projekt „Deutsche Filmakademie“

ist in engem Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung der Export Union zu sehen. Die Schaffung einer weiteren Einrichtung zur Filmförderung mit „weicher“ Zielvorgabe ist unter den derzeitigen Bedingungen der öffentlichen Haushalte nicht vertretbar. Gleichwohl kann die Aufgabe „Deutsche Filmakademie“ ohne größere Probleme von einer bestehenden Fördereinrichtung übernommen werden.

Das von film 20 vorgelegte Forderungspaket ist also sicher an vielen Stellen geeignet die notwendige Reform der deutschen Filmförderung, ihrer Institutionen und Instrumente, zu begleiten.

Lübeck, 14.6.02

Roland Schmidt
Geschäftsführer MSH

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