„Medicina de Todos – von Pflanzenheilern und Biopiraten in Chiapas“ von Ulli Selle und Katja Reusch

In den letzten 500 Jahren waren die indigenen Kommunen Mexikos vielen Angriffen ausgesetzt. Kolonisation, Verarmung und Marginalisierung und eine zunehmende Militarisierung mussten sie erdulden. Nun stehen sie einer neuen Bedrohung gegenüber, subtiler, aber nicht weniger gefährlich: Biopiraterie. Mexiko ist ein Land außerordentlicher biologischer Vielfalt. Diese Vielfalt, eine Schlüsselressource für Nahrungsmittel, landwirtschaftliche und pharmazeutische Produkte, bringt nun besonders die Bundesstaaten im Süden Mexikos ins Fadenkreuz pharmazeutische bzw. biotechnische Konzerne wie etwa Novartis, Bayer oder BASF. Sie haben begonnen, das „grüne Gold“ der Region zu ernten und das indigene Wissen, das damit verbunden ist, anzuzapfen.

Die Kieler Dokumentarfilmer Ulli Selle und Katja Reusch sind im letzten Jahr in den mexikanischen Urwald von Chiapas gereist, um für ihren 40-minütigen Film „Medicina de Todos – von Pflanzenheilern und Biopiraten in Chiapas“ die Problematik der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung vor Ort unter dem spezifischen Gesichtspunkt der Biopiraterie zu erkunden.

Chiapas besitzt auf Grund seiner sehr verschiedenen Höhenlagen und den damit verbundenen unterschiedlichen Klimata eine außerordentlich reiche Flora und Fauna. 14,4 Prozent der Pflanzen- und Tierarten der gesamten Erde finden sich hier im äußersten Süden Mexikos. In Widerspruch zu diesem biologischen Reichtum steht die wirtschaftliche und soziale Lage der dortigen Bevölkerung. Die mit der ländlichen Armut verbundene medizinische Unterversorgung bewirkt, dass nirgendwo sonst in Mexiko so viele Menschen an einfachen Krankheiten wie hier sterben. Vom Staat bzw. anderen gesellschaftlichen Institutionen im Stich gelassen, ist die Bevölkerung notgedrungen auf medizinische Selbsthilfe angewiesen. Dazu hat man dörfliche Gesundheitsnetzwerke aufgebaut.

Träger dieses Netzwerke sind so genannte örtliche Gesundheitspromotoren, die in der Selbsthilfe-Organisation tradtioneller Heiler und Hebammen (OMIECH) zusammengeschlossen sind. Der Film zeigt den Alltag eines solchen Gesundheitspromotors, Domitilo Riviera Gonzales. Dieser ist mit seinen begrenzten Mitteln und Kenntnissen für sein Dorf neben einem Kollegen, der einzige medizinische Ansprechpartner. In Kursen der OMIECH wird ihm altes Wissen über die Heilwirkung der dortigen Pflanzenwelt vermittelt.

Dieses Wissen, das bisher allen zu Verfügung stand, ist nun durch die Pharma- und Life-Science-Industrie bedroht. Mit Hilfe von Bioprospection (hier: Erfasssung der vorhandenen Flora und des damit verbundenen traditionellen Wissens) und anschließender Patentierung der gefundenen pflanzlichen Stoffe werden die indigenen Urheber des darauf bezogenen Wissens von diesem auf kommerziellen Wege abgeschnitten.

„Medicina de todos“ schildert die scheinbar ehrenhaften Vorgehensweisen der Bioprospection, zeigt, wie die Betroffenen vor Ort nach anfänglicher Arglosigkeit misstrauisch geworden sind und wie sich der Widerstand der Bevölkerung gegen diese „Enteignung“ organisiert. (Helmut Schulzeck)

Vorführung mit anschließender Diskussion am 23. Mai 2002, 20 Uhr, in der Pumpe (Kiel, Haßstr. 22, Galerie).

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