Kurzfilmtage Oberhausen – ein Rückblick

Vom 2.5. – 7.5.2002 fanden in Oberhausen die 48. Internationalen Kurzfilmtage statt. Neben dem internationalen Wettbewerb, dem Deutschen Wettbewerb und dem Kinder- und Jugendfilmwettbewerb gibt es jedes Jahr ein Sonderprogramm. In diesem Jahr war es das Thema „Katastrophe“. Ergänzend fanden Werkschauen einzelner Filmemacher und ein Musikvideo-Wettbewerb statt.

Das Kurzfilmfestival Oberhausen hielt sich bei seiner Programmauswahl nicht an die oft sehr willkürlich erscheinende Definition der Länge von Kurzfilmen. Eine Einreichung für den Internationalen Wettbewerb durfte max. 35 Minuten lang sein, für den Deutschen Wettbewerb max. 45 Minuten. Für den Musikvideo-Preis galt eine Maximallänge von 12 Minuten. In begründeten Ausnahmefällen ließen die Auswahlkommissionen auch längere Beiträge zu. Diese Regelung entspricht sicher mehr dem Genre Kurzfilm, als die übliche Begrenzung auf 15 Minuten. Zumal durch die 15 Minuten Grenze im Spektrum der deutschen Filmwirtschaft alle Längen zwischen 16 Min. und 58 Min. durch das Raster fallen. Lediglich die TV-Längen 45 Min. und 30 Min. haben eine Marktchance. Inhaltlich gibt es eine Vielzahl von Themen, die einen Langfilm sicherlich nicht rechtfertigen und für einen Film von 14 Minuten zu komplex sind. Deshalb hat z.B. die MSH bewusst auf die Vorgabe von Filmlängen für die Projektförderung verzichtet.

Das Traditionsfestival Oberhausen gilt in Branchenkreisen als ein Ort des fundamentalistischen Kurzfilms. Verwackelte Handkamera, unverständlicher Ton und unscharfe Bilder scheinen ein wichtiges Auswahlkriterium für die präsentierten Filme zu sein. Gleichzeitig sollen die Filme eine anspruchsvolle Herangehensweise an das jeweilige Thema zeigen. Der unterhaltende, leichte Kurzfilm spielt in Oberhausen keine wesentliche Rolle. Dies wird von den Festivalmachern auch bewusst so gestaltet. Grundsätzlich ist eine derartige Positionierung in der zur Zeit modernen „Spaßkultur“ als Contrapunkt zu begrüßen. Da Oberhausen aber der einzige große Festivalplatz für Kurzfilme in Deutschland ist, sollte man sich fragen, ob es sinnvoll ist, erhebliche Teile des derzeitigen Kurzfilmschaffens auszublenden. Dass man als Zuschauer trotzdem gern die Programme sichtet, liegt vermutlich daran, dass das Schlimmste ja meist nach 12 Minuten vorbei ist.

Mit Veranstaltungen wie dem Produzententag und einem Filmmarkt versuchten die Festivalmacher einen Zusatznutzen in des Festivalumfeld zu tragen.

Der Tenor in der Podiumsdiskussion („vom Kurzfilm zum Langfilm“) war durchaus kritisch gegenüber dem deutschen Film. Die Themen der Filmstoffe und die Arbeitsbeziehungen zwischen Produzenten und Regie wurden kontrovers von den Podiumsteilnehmern bewertet. Grundsätzlich ist kritisch zu hinterfragen, ob der Kurzfilm immer der Einstieg in den Langfilm sein soll. Derzeit wird Kurzfilm in Deutschland ganz im Sinne des Oberhausener Manifests verstanden. Der Kurzfilm als dauerhafte Beschäftigung für den Filmemacher ist nicht vorgesehen. Die Produktions- und Finanzierungsstrukturen zielen im Kurzfilm auf eine Nachwuchsförderung. Der Kurzfilm dient meist dem Talentnachweis für „Größeres“. Dabei geht die kreative Eigenständigkeit der Kulturform Kurzfilm immer weiter verloren. Kurzfilm ist eine eigenständige Form des Filmschaffens; mit einer eigenen Dramaturgie, Bildsprachen und Themenwahl. Der hohe Aufwand in der Produktion lässt sich derzeit für den Produzenten nicht refinanzieren. Die 1962 im Manifest proklamierte „Freiheit von den branchenüblichen Konventionen, Freiheit von der Beeinflussung durch kommerzielle Partner“, ist derzeit auch ein wesentliches Problem der Kurzfilmlandschaft. Kommerzielle Erfolge sind im Kurzfilmbereich sehr, sehr rar. Im allgemeinen sind sie nur auf der Distributionsebene zu realisieren. Signale des Marktes können von den Filmemachern, wegen des Dogmas der Marktferne, nicht kreativ wahrgenommen werden. Mögliche kommerzielle Potentiale in den Filmen werden nicht ausgeschöpft. Weiterentwicklungen der Produktionskultur werden nicht durch Marktreaktionen befördert. Diese Probleme sind zwar auch Probleme des deutschen Langfilms, der Kurzfilm hat in dieser Frage aber möglicherweise das radikalere Veränderungspotential. Hier sind alle Kurzfilmakteure aufgefordert, sich Gedanken zu einer neuen Positionierung des Kurzfilms zu machen. Ein erster Schritt ist sicherlich der während der Kurzfilmtage gegründete Kurzfilm-Verband. (Roland Schmidt)

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