Kabel in der Krise
„Quo vadis, Kabel?“ fragte die ULR-Medienwerft und fand wenig hoffnungsvolle Antworten.
Der Bericht des Medienrats, mit dem die ULR-Medienwerft am 24.4. in der IHK zu Kiel startete, klang noch optimistisch. Der Medienrats-Vorsitzende Ekkehard Wienholtz konnte auf zwei vielversprechende Kabel-Projekte im letzten halben Jahr zurückblicken: das Kieler Kabelpilotprojekt mit den Lokal-Sendern Lokal TV und r24 und das rückkanalfähige Kabel der Norderstedter Firma wilhelm.tel.
Von Aufbruchstimmung ist die Medienbranche dennoch weit entfernt. „Seit dem Insolvenzantrag der Kirchmedia befindet sich das private Fernsehen in der größten Krise seit seinem Beginn vor 18 Jahren“, musste Wienholtz feststellen und fürchtet, dass nun „die Regionalprogramme einmal mehr als lästiger Kostenfaktor in den Blick der Sanierer geraten“. „Lizenzen ohne Regionalprogrammverpflichtung“ werde es indes mit der ULR nicht geben. Im Kabel setze man sich zudem weiter für die Staatsferne des Rundfunks ein, so dass der Medienrat Investoren wie Murdoch oder Berlusconi mit äußerst kritischen Augen betrachte.
Das Podium sah das Kabel in der Krise – nicht erst seit der Kirch-Pleite und dem geplatzten Kauf des Telekom-Netzes durch Liberty. Den Titel „einer der Väter des Kabelnetzes“ wies Franz Arnold, Beauftragter der Telekom für den Kabelverkauf, gleich zu Beginn seines Vortrags zurück: „Dieses Kabel wollte ich nicht.“ Schon 1982 habe er gewarnt: „Mit dem Kabel wurde ein medienpolitisch erfolgreiches, aber nicht kommerzielles Modell geschaffen.“ Zwei Milliarden Mark Verlust jährlich konnte die Telekom damals nur durch Gewinne aus dem Telefongeschäft kompensieren. Weil also mit der klassischen TV-Verbreitung im Kabel nichts zu verdienen sei, müsse ein Betreiber zwangsläufig neue digitale Dienste anbieten. „Die aber kosten die ersten fünf Jahre nur“, skizziert Arnold das Dilemma.
Für Investitionen ins Kabel brauche man einen langen Atem, den im Grunde nur Liberty gehabt hätte, mit einem allerdings unakzeptablen Geschäftsmodell, „an beiden Kabelenden abzukassieren und dann auch noch eigene Programme einzuspeisen“. Erik Heitzer, Director Regulatory der ish GmbH, die 2000 die Netze in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg erwarb, bestätigt das, denn auch er schreibt rote Zahlen. Sein Urteil: „Der deutsche Kabelmarkt ist überreguliert und damit unattraktiv für ausländische Investoren.“
Ursula Adelt, Geschäftsführerin des Verbands der privaten Rundfunkanbieter, sieht das Problem neben fehlenden Standards für die Decoderboxen vor allem in der Enge im Kabel. Die Anbieter hätten daher schon lange einen Ausbau des Netzes gefordert, bislang vergeblich. Der NDR-Justiziar Werner Hahn hingegen bezweifelt dieses Krisenszenario. Fraglich sei doch, ob der Nutzer überhaupt hunderte von Programmen sehen wolle. Hahn plädiert nach dem Liberty-Desaster für eine „Denkpause“ auf dem jetzigen Stand des Kabels. Die Wirtschaftsvertreter befürchten dagegen, dass das Kabel bei solchem Stillstand von neuen Diensten wie DSL und Satellit überholt wird. Franz Arnold sieht dringenden Handlungsbedarf. Der Bund, mit 40 Prozent Großaktionär der Telekom, müsse dafür sorgen, dass das Netz von der Telekom abgekoppelt werde, nur so lasse sich ein Investor finden. Viel Hoffnung in eine solche Initiative der Politik setzt Arnold jedoch nicht. Das Kabel bleibt also wohl weiter in der Krise. (jm)