Kabelnetze: „Verbraucherinteressen haben Vorrang“

Eine von den Grünen initiierte Studie will Politik und Zuschauer für „die elementaren Fragen der Medien-Zukunft“ nicht nur im Kabel sensibilisieren.

Das Kartellamt hat dem „Milliarden-Deal“ einen Riegel vorgeschoben: Liberty Media konnte das Kabelnetz der Telekom nicht wie geplant aufkaufen – eine Atempause auf dem Medienmarkt, die die bündnisgrüne Bundestagsfraktion und ihre medienpolitische Sprecherin Grietje Bettin zum Nachdenken über die Zukunft am digitalen Draht nutzen wollen. Die von den Grünen beim Institut für Europäisches Medienrecht (EMR) in Auftrag gegebene Studie „Regulierung des Zugangs zu Kabelnetzen im Zeitalter der Digitalisierung“ räumt im Sinne des Verbraucherschutzes den Interessen der Zuschauer an einem bezahlbaren und möglichst freien Zugang höchste Priorität ein. Aber auch auf der Anbieterseite soll die Chancengleichheit im Kabel gesichert werden.

Was kommt auf den Zuschauer zu, wenn er im digitalen Kabel bald zwischen 300 Programmen wählen kann, wenn das digitale Fernsehen per Antenne (DVB-T) immerhin 24 Kanäle bietet und die Medien TV und Internet sowie mobile Kommunikation via UMTS immer enger zusammenwachsen? Als „wirklich schöne neue Medienwelt“ schwebt Grietje Bettin vor, „dass man mit nur einem Endgerät auf alle Info-Angebote, Internet, aber zum Beispiel auch digitale Video-Archive, interaktiv zugreifen kann, dass man Vielfalt und Wettbewerb der Inhalte hat, unter denen der Nutzer kostengünstig und frei nach seinen Bedürfnissen wählen kann“. Der Negativ-Entwurf dagegen: „Wenn die Politik nicht aufpasst, werden Monopole von Programmanbietern entstehen, die auch über die Netze verfügen und kleineren Anbietern den Zugang verwehren.“ Zwar gebe es für solch ein Szenario, das mit Liberty drohte, gesetzliche Regelungen, um zumindest den öffentlich-rechtlichen Sendern weiteren Kabelzugang zu garantieren, aber Bettin fürchtet eine „Salamitaktik immer weiterer Aushöhlung von Standards wie etwa der Verpflichtung zur Grundversorgung“.

In der Studie sieht Bettin ein Mittel, die Zuschauer „für diese komplexen, aber jeden betreffenden elementaren Fragen der Medien-Zukunft zu sensibilisieren“. Konkret fordet die Studie neben der Sicherung von Vielfalt, wobei „nur Vielfalt allein noch keine Qualität macht“, die Stärkung der Verbraucherzentralen bei der Beratung der Zuschauer in Medienfragen und „die Festschreibung offener Standards“. Letzteres bedeutet, dass etwa die Software, mit denen die Decoder (Geräte zum Empfang der digitalen Signale) arbeiten, für jeden Anbieter zugänglich ist. Eine wichtige Forderung gerade angesichts des derzeitigen für den Verbraucher kaum nachvollziehbaren Kampfs zwischen den nicht kompatiblen Decoder-Standards D-Box (Premiere) und MHP (Multimedia Home Platform).

„Die Medienkonvergenz verlangt nach neuen ordnungspolitischen Reaktionen“, weiß Bettin, sieht aber keine Notwendigkeit für neue Institutionen. Die bestehenden, unter anderem die Landesmedienanstalten, müssten lediglich „gestrafft“ und deren Kontrolle durch die Parlamente, die heute „nicht immer gegeben“ sei, verstärkt werden. Auch beim Datenschutz erkennt Bettin aufgrund der neuen Techniken Anpassungsbedarf. Wenn das Kabel rückkanalfähig wird, könnten Anbieter, wie jetzt schon im Internt praktiziert, das individuelle Nutzerprofil online aushorchen – Zuschauerdaten, die direkten Geldwert haben. Leider, so Bettin, sei „Datenschutz heute kein besonders hippes Thema. Die Verbraucher sind sich des Wertes der preisgegebenen Informationen kaum bewusst.“ Auch hier wollen die Grünen den Nutzer sensibilisieren und darauf dringen, dass Verschlüsselung und Datenanonymisierung in den sich verwebenden Netzen konsequenter angewandt werden. (jm)

Die 60-seitige Studie des EMR kann unter der Adresse www.gruene-fraktion.de/themen/medien/Gutachten.pdf als PDF-File heruntergeladen werden.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner