Das Handgreifliche der Bilder
René J Goffins „Kurze Ethnologie der Bilder“ bei netzpflege.net
„Was das Auge erblickt, ergreift die Hand. Mit der Hand wird begriffen.“ Die Bilder, die der Kieler Maler und studierte Ethnologe René J Goffin in die Internet-Galerie www.netzpflege.net (kuratiert vom Kieler Komponisten Hauke Harder) gestellt hat, zeigen in Animationen bewegte Hände fremder Kulturen, kurze „Snapshots“ aus ethnologischen Videos, die er in Südostasien drehte. Die Hand eines Webers, von Gestikulierenden und Hände, die sich im Tanzritual tastend auf Schultern legen. Philosophische Texte der Wahrnehmungstheorie illustrieren die Bilder.
„Die Hand als Kralle, Zange, Sensor und Zeichen“ ist für Goffin das zentrale Werkzeug, sich mit Welt in Beziehung zu setzen, sie buchstäblich und als vor allem leiblich konstituiertes Wesen in ihrer Leiblichkeit zu „be-greifen“. Dass die ganzheitliche Wahrnehmung von den so genannt „niederen“ Sinnen wie Taktilität weit stärker geformt wird als von den „höheren“ Sinnesfunktionen des Sehens und Hörens, wird in der Wahrnehmungspsychologie seit längerem diskutiert. Goffin greift diesen wissenschaftlichen Diskurs auf, um ihn mit dem künstlerischen Mittel des „Bildermachens“ in Beziehung zu setzen, genauer sich mitten in die Fuge zwischen den Erkenntnismedien Wissenschaft und Kunst zu begeben.
In der industrialisierten Welt, besonders in dem von dieser hervorgebrachten Internet, dessen „Virtualität“ sein bestimmender Charakter ist, scheint diese leibliche Auffassung von „Gegenständlichkeit“ abhanden. Phänomenologische und mythische Welt-Bilder sind hier von positivistisch-aristotelischen Vorstellungen weitgehend verdrängt. Ohne dass Goffin „das Netz als etwas Negatives“ sieht, stellt er ihm doch das unmittelbar „Berührende“ seiner Hand-Bilder gegenüber und gelangt so zu einer medialen Opposition zwischen leiblich Erfahrbarem und virtuell hinter die Glasscheibe des Bildschirms Entrücktem, die das Medium hinterfragt und in seinem Sein wiederum begreifbar macht – handgreiflich durch Augenschein.
Der vorsichtige Brückenschlag zu den Leib-Philosophien des Kieler Philosophen Hermann Schmitz und Heideggers ist dabei nicht zufällig. Mit ihnen hat sich Goffin intensiv beschäftigt wie mit erkenntnistheoretischen Fragestellungen der Ethnologie. Als Maler, als „Macher von Bildern“ zeigt er ihre Manifestation im Bild, das „nicht nur Informationsträger, sondern immer auch Gegenstand“ ist, den es auch haptisch zu begreifen gilt – sogar in der so gar nicht, hier aber doch „fühlbaren“ virtuellen Welt des Netzes. (jm)
www.netzpflege.net (Link mit der Bezeichnung „#4“)