Video der Generationen 2001
Schleswig-Holsteinische Preisträger beim Bundesfestival Video 2001
Ende November 2001 fand in Rostock das Bundesfestival Video 2001 statt. Für die beiden Preise „Jugend und Video“ (Jugendliche bis 25 Jahre) und „Video der Generationen“ (Senioren und Jung-und-Alt-Teams) waren rund 700 Beiträge eingesandt worden, unter denen die Jury 37 nominierte. In der Kategorie „Video der Generationen“ gewannen zwei schleswig-holsteinische Teams jeweils einen 3. Preis, die Kieler Video-Filmerin Heike Fleischhauer und das Trio Ruboz, Coucou und aLeezaBad. Wir stellen die Preisträger und ihre Filme vor.
„Fernsehen ist nah Sehen“
Die Kieler Video-Filmerin Heike Fleischhauer sucht mit der Kamera die Nähe zu Menschen und Dingen.
Mit der selben Präzision, mit der Henrike Reinckens vorsichtig Gips an einer ihrer Skulpturen aus der Reihe „Die Sitzengebliebenen“ anlagert, verfolgt die Kamera ihre Hand, im Off ein Gespräch, das ständig auf den Punkt kommt. Das sensible 9-Minuten-Porträt mit dem schlichten Titel „Die Bildhauerin Henrike Reinckens“, das an Intensität manchen 30-Minüter in den Schatten stellt, gewann im letzten November beim Bundesfestival Video einen dritten Preis in der Sparte „Video der Generationen“, völlig unerwartet für die Frau hinter der Kamera, die Kieler Video-Filmerin Heike Fleischhauer.
Sensibilität, die spezielle Antenne hinter der Linse für das, was sich vor ihr abspielt, ist für die 61-jährige ein Stichwort: „Mich interessieren Menschen. Die Kamera ist dabei ein Mittel, ihnen Fragen zu stellen, die man ohne sie nicht zu stellen wagte.“ Das bewegte und bewegende Bild im Video-Kader als Tastinstrument, das auch ein ästhetisches Abstraktum wie die Frage, warum eine Künstlerin Figuren schafft, geradezu handgreiflich begreifbar macht. Heike Fleischhauer „will immer nah ran“, buchstäblich mit der bevorzugten Einstellung Detailaufnahme, aber auch im übertragenen Sinne, denn „Fernsehen ist nah Sehen.“
Spontaneität ist Fleischhauers zweites Credo. „Ich arbeite fast nur dokumentarisch, ich inszeniere nichts, sondern möchte es möglichst authentisch wiedergeben.“ Der Plan für ihre Videos entsteht beim Dreh, aus dem Augenblick und seiner suggestiven Macht, die sich ihr wie später dem Betrachter unmittelbar mitteilt, und erhält am heimischen Digital-Schnittplatz den Feinschliff.
Drei Stunden Arbeit für eine Filmminute sind dabei keine Seltenheit. Bevor moderne Digitaltechnik den Schnitt zuhause möglich machte, verbrachte Heike Fleischhauer ganze Nächte an den Schnittpulten im Offenen Kanal Kiel. Seit über fünf Jahren arbeitet sie dort im Team des Magazins „Auf Sendung“ mit, das an jedem vierten Mittwoch im Monat eine Stunde aus der Region berichtet, aber auch Reisefilme bringt. Mit diesen hat Fleischhauer nach einem Video-Kurs in der VHS und Familien-Videos, die sie sich jetzt „nur noch selten antut“, angefangen, mehrfach preisgekrönt im Reisefilm-Wettbewerb „Montevideo“ und mit einem Porträt über die Malerin Maren Arendt auch beim Wettbewerb „Tiefenschärfe“ des Offenen Kanals.
Trotz solcher Lorbeeren ruht sich Heike Fleischauer darauf nicht aus. Ihre Experimentierfreude beim Herauspräparieren des „persönlichen Blicks“, der zwischen den Persönlichkeiten vor und hinter der Kamera eine eigentümlich menschliche Brücke schlägt, ist ungebremst. Bei den lichtbildnerischen Reflexen eines Tropfens im Wasserglas ebenso wie bei ihrem neuesten Projekt, der Erforschung der Bildsymbole auf einem marokkanischen Teppich. (jm)
Kreatives Kino-Knirschen
Die Kieler Video-Filmer Ruboz und aLeezaBad setzen auf Experimentelles.
Wenn kreative Kino-Köpfe aufeinander treffen, kann es schon mal ordentlich knirschen. Aber zuweilen entsteht aus solchem gegenseitigen Sand ins Kamera-Getriebe Streuen ein echtes Kunststück. So auch bei einem Super-8-Workshop, den im letzten Frühjahr der Medienpädagoge Henning Fietze und der Filmartist Karsten Weber für den Offenen Kanal Kiel veranstalteten. Bruno Ruzicka (Ruboz), Hilke Elisabeth Saggau (aLeezaBad) und Claus Christian Plaass (Coucou) trafen aufeinander. Allesamt hatten sie schon Filmerfahrung, aber auch jeweils sehr eigene Vorstellungen. „Die anderen Teilnehmer dachten, wir sind ’ne Encounter-Gruppe“, blickt aLeezaBad ironisch zurück. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – gelang ihnen in nur zweimal drei Tagen Workshop ein kleiner Geniestreich: der 5-minütige Stummfilm „Akutes Abdomen“, der beim Bundesfestival Video 2001 einen 3. Preis in der Kategorie „Video der Generationen“ gewann.
Ein Kobold-Staubsauger der Traditionsmarke Vorwerk, den man zufällig in Karsten Webers Wohnung fand, spielt darin ob seines saurierhaften Aussehens die Hauptrolle. „Rumms!“ heißt es im Zwischentitel, dann flackern „Special Effects“ wie bewusst gesetzte Kratzer auf dem Filmmaterial und grobe Kolorierungen mit einem Edding über die Leinwand und zwei Monteure attestieren dem Kobold ein „akutes Abdomen“, dem sie operativ beikommen, bis Hausfrau aLeezaBad happyendlich weitersaugen kann. Ein ebenso schräges wie surreales Kabinettstückchen und aLeezaBads „erster Spielfilm“, denn sonst bereichert die studierte Archäologin das Programm des Offenen Kanals seit 1998 mit inzwischen Dutzenden von Dokumentarfilmen.
Ruboz ist Maler und Musiker in einer Person. In seinem Experimentalfilm „Na Na Na Naa“ montierte er poetisch das Ballett von Spielzeugpuppen und expressionistisch wabernden Elektroflächen zu einem Soundtrack von John Zorn und Courtney Pine. Im „Akuten Abdomen“ mimte er nicht nur einen der Monteure, sondern steuerte auch die punkig zerfetzte Stummfilmmusik auf einem E-Piano bei.
Ein Technobeat inspirierte den Rhythmus der Bilder auch in aLeezaBads „Trans Trave“. Verwackeltes Super-8-Material, das sie 1971 bei einer Bootstour auf der Trave aufnahm – „ein völlig unbrauchbarer Film“, verfremdete sie durch das immer wieder neue Abfilmen der Projektion zu einem grafisch anmutenden Bildersturm. „Dass man aus eigentlich grottenschlechtem Material noch sowas machen kann“, ist für sie nicht nur eine der entscheidenden Anregungen von „Kuddel“ Weber, sondern auch experimentelles Programm, das selbst in der vergleichsweise wenig „abgedrehten“ Stummfilmästhetik von „Abdomen“ seine Spuren hinterließ.
Nicht nur der unverhoffte Erfolg beim Wettbewerb lässt Ruboz und aLeezaBad weiter an ihren bewegten Bildern basteln. aLeezaBad bringt es auf den Punkt: „Die Filme laufen im Leben, da spielen sich die unbeschreiblichsten Dinge ab. Man muss nur auf den Kameraknopf drücken …“ (jm)